Dr. U. J. H. Becker: Der heilige Ansverus (1841)
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Der heilige Ansverus
Abt des Klosters Ratzeburg.
Mit einer Vorrede von
Dr. U. J. H. Becker.
Schönberg:
Druck von L. Bicker.
1841.
IV auch nicht den alten Heiligenschein zu erneuern,
so doch im schwachen Dämmerlichte aus entfernter Vergangenheit
denselben zu zeigen. V gar durch den Ruf von Wunderthaten geglänzt hatten, nicht ganz untergehen lassen. Die Thaten und Leiden Evermod's, Isfried's und Ludolfs, so wichtig sie auch an und für sich sind, interessiren doch nur weniger das größere Publieum, und ich verweise in Betreff ihrer auf Masch's treffliche GESCHICHTE DES BISTHUM'S RATZEBURG (Lübeck 1835), aus welcher in den Anmerkungen einige Züge über ihr Leben entlehnt werden sollen. 1) In Betreff des heil. ANSVERUS aber schien es nothwendig, die ganze LEGENDE von seinem Leben, Leiden und Tod vollständig, so wie dieselbe uns aus dem Mittelalter überliefert worden ist, hier zu erzählen, weil theils die Zeit, in der Ansverus lebte, ein vielseitiges Interesse gewährt, theils eine aus alter Zeit noch herstammende Tafel, welche in der hiesigen Domkirche sich befindet, in zwölf getrennten Bildern diese Legende darstellt, theils auch noch ein steinernes, an dem Fußwege zwischen Ratzeburg und dem Dorfe Buchholz aufgerichtetes Kreuz an die Stelle erinnert, wo der heil. Ansverus seinen Märtyrertod erlitten hat. Darum habe ich es veranlaßt, daß einer der Zöglinge unserer Domschule eine einfache, ungeschminkte und aus den Quellen V VI
Des Ansverus Herkunft und Jugend 2) ANSVERUS 3) wurde um die Mitte des
elften Jahrhunderts nach Christo, etwa um 1040,
geboren 4) und als seine Vaterstadt wird uns HEIDEBO,
das heutige Schleswig angegeben 5). Sein Vater war
OSWALDUS, einer der Angesehensten des Landes, dessen bedeutende
Güter zwischen der Stadt Heidebo und Holstein lagen, und von dem
ausdrücklich gerühmt wird, daß er als ein tapferer Ritter über viele
Soldaten und waffentragende, also freie, Leute gebot 6).
Der Name seiner Mutter aber war AGNES, welche ebenfalls aus einem
guten und adelichen Geschlechte 7) entsprossen war.
Sie führte ein so heiliges Leben, daß sie als Muster eines
züchtigen, an guten Werken reichen Lebens vielen Zeitgenossen
vorleuchtete. Und man kann wohl annehmen, daß dieses fromme und
reine Beispiel der Mutter auf den jungen Ansverus einen nicht
unbedeutenden Einfluß ausgeübt hat, wie denn auch von der Legende
hinzugesetzt wird, daß die Kinder den Spuren und den Ansichten der
Eltern zu folgen pflegten, und daß ein weiser Sohn die Freude seiner Mutter sey. Und wie er denn von Natur einen
sehr sanftmüthigen Character hatte, so verlebte er auch seine
Kindheit in Reinheit und Unschuld und gelangte durch ein nüchternes
und strenges Leben schon früh zu einem hohen Grade von
Vollkommenheit. So wie sich aber auch überhaupt die Kirche darin
gefiel, ihre Heiligen mit vom Herrn geliebten und frommen Mannern
aus der heiligen Schrift zu vergleichen, so wurde auch von ihm
gesagt, daß er an Vollkommenheit dem heiligen Hiob zu vergleichen
wäre, von dem geschrieben stehe, DASZ ER EIN MANN WAR SCHLECHT UND
RECHT, UND GOTT FÜRCHTETE UND DIE SÜNDE FLOH. 02 Weisheit zu erlangen und eine wissenschaftliche Ausbildung zu empfangen, befriedigen könnte. Dieser rieth ihm nun, sich nach dem Kloster St. Jürgen vor Ratzeburg zu begeben, welches im Jahre 1050 (51) von dem frommen Slavenfürsten Gottschalk, zu Ehren des heil. Georg 9) gestiftet worden war, und in welchem Mönche nach der Regel des heil. Benedictus wohnten. Andere jedoch erzählen diese Begebenheit in der Art, daß er ohne den Dank seiner Eltern, wie die Legende sagt, sich geweigert habe, ein Ritter und Krieger zu werden und sich unter dem Vorwande zu seinem Oheim, welcher in einem andern Lande wohnte, zn reiten, aus dem väterlichen Hause entfernt habe. Nachdem er dasselbe verlassen, leitete ihn ein guter Geist auf den Weg zu dem Kloster vor Ratzebnrg. Unterwegs sah er Nachts einen Traum, welcher ihm verkündete, daß er an dem Orte, wohin er wandere, das Amt des obersten Vorstehers erlangen und bis an seinen Tod Gott dienen würde. Als er von seinem Schlafe erwacht war, überlegte er die Bedeutung dieses Traumes hin und her, und mit freudigem Mnthe beschloß er, allen jugendlichen Muthwillen und alle Begierde nach weltlichen Dingen zn unterdrücken und durch ein heiliges und gottgefälliges Leben nach dem ewigen Leben zu trachten. Und indem er noch der Welt Herrlichkeit erwog, daß sie doch nichts Beständiges in sich habe, sondern daß Alles vergänglich sey auf dieser Welt, eilte er mit großer Begier zu dem genannten Kloster und redete den Abt desselben mit "schönen und süßen" Worten an, wie sie ihm Gott in's Herz gegeben hatte, und bat ihn, daß er ihn aufnehmen möchte zu einem geistlichen Bruder in sein Kloster. Und diese Bitte wurde ihm auch sofort bewilligt. - 03 Ansverus als Mönch im Kloster Ratzeburg. So ward Ansverus Mönch nach der Regel des heiligen Benedictus und wurde eingeweiht in alle Gebräuche und Lehren, welche ihm den Weg zum ewigen Leben zeigen sollten. Und nicht nur auf die Erlernung der Wissenschaften, durch welche die Benedictinermönche im Mittelalter berühmt waren, verwandte er große Mühe, sondern zunächst darauf, daß er Dem gefiele, welcher alles Menschliche und Göttliche leitet, und welcher nicht nur menschliche, sondern auch göttliche Wissenschaft denen verleiht, so ihn fromm darnm bitten 10). So kam es, daß er bald alle seine Klosterbrüder an Kenntnissen und an Einsicht übertraf. Von dem Abte des Klosters aber wurde er nun einem alteren Mönche anvertraut und anempfohlen, welcher ihn unterrichten sollte in den Vorschriften und Regeln der Benedictinermönche und ihn belehren, wie er alle Ausschweifungen fliehen und sich dem Willen der Brüder fügen müsse, indem er die Älteren derselben achtete und verehrte und dem Beispiele der Jüngern folgte. Dabei war er so emsig und so willig, daß die Mönche selbst ihn bald bewunderten, und war so demüthig und folgsam, daß manche seiner Brüder in ihrem hochfahrenden Sinne ihn für einen Thoren hielten. Er jedoch dankte dafür Gott, hatte sie Alle lieb und bewies sich ihnen immer freundlich. Die Besseren unter seinen Brüdern fesselte er bald durch sein liebliches und freundliches Gesicht, welches besonders in der Legende gerühmt wird, und gewann sie für sich durch die Reinheit und die Unschuld seiner Seele, so wie durch seinen Eifer, 04 den er bei der Erlernung der Wissenschaften
bewies. Auch wenn er ungerechter Weise einer Übertretung des
Gesetzes beschuldigt wurde, so entflammte ihn nicht Unwille und
Zorn, sondern eine Schaamröthe übergoß sein Angesicht und verrieth
die tiefe Demuth seiner Seele. In der Verehrung und der Furcht
Gottes hielt er sich so fest an seines Lehrers Ermahnungen, daß
dieser auch meinte, er wäre nicht recht bei Sinnen, weil er Alles
mit demüthigen Herzen ertrug, obgleich er auch schon Mönch war. 05 Derselbe Klosterbruder sah ein anderes Mal den
Herrn Jesum Christum in der Gestalt eines allerliebsten Kindes,
welches eine Krone in der Hand hatte und dieselbe dem Ansverus aufs
Haupt setzte. Und als dieser nachher das Gratias vor
dem Altare las, so sahen mehrere seiner Brüder mit eigenen Augen
einen Engel Gottes mit dem Ansverus gehen, zum Zeugniß, daß Ansverus
sich ganz von den Boten Gottes leiten ließe. Ja, man sagte sogar,
daß Ansverus an dem geheimen Orte, welchen er sich auserwählt, mit
den Engeln Zusammenkünfte habe. Da aber seine Brüder ihn und sein
ganzes Wesen nicht begreifen und verstehen konnten, so wurde
Ansverus vor den Abt und das ganze Capital gefordert und wegen
seiner ungewohnten Sitten zur Rechenschaft gezogen. Ein anderes Mal,
als sie in Abwesenheit des Abtes viele Anschuldigungen gegen ihn
vorbrachten, von denen ihn aber Manche von seinen Brüdern
lossprachen, geschah es, daß diejenigen, welche bei ihrer Anklage
beharrten, von einem plötzlichen Donnerschlag so niedergeworfen
wurden, daß sie von demselben sich kaum wieder erholen konnten, und
dem Ansverus das Priesteramt, welches sie ihm früher verboten
hatten, jetzt wieder antrugen. Während dieser Anklagen und
Verläumdungen unterließ er es nicht, mit großer Sehnsucht und vielen
Thränen in seinen Gebeten den Herrn Jesum und die Jungfrau Maria zu
verehren und anzurufen. Und so geschah es denn, daß die heil.
Jungfrau am Altare der Klosterkirche zu St. Georg gesehen wurde, wie
sie einen schönen Edelstein aus der Krone, welche sie trug, ausbrach
und denselben dem heiligen Ansverus auf seine Stirn drückte. 06 gende sagt, in einem Gesichte, welches einem Andern seiner Brüder in der Klosterkirche zu ST. GEORG zu Theil wurde. Es war nämlich einer der Klosterbrüder sehr krank, und ihn pflegte in seiner Krankheit ein Schüler des Ordens. Dieser aber ging, so oft er nur die Zeit dazu hatte, in die Kirche und verrichtete dort sein Gebet für sich und seinen Kranken. Einstmals nun, als er auch zu diesem Zwecke in die Kirche gegangen war und sich mit freudigem Muthe von seinem Gebete erhob, sah er den Ansverus in einer Entzückung und mit geneigtem Haupte dem Herrn dankend. Voll Staunen über solche Innigkeit des Gebetes und tief im Herzen von Verlangen ergriffen, auch so zu Gott beten zu können, wurde der Schüler also erweckt, daß er den Ansverus die lieblichsten Gesänge mit dreifachen Stimmen aufs lieblichste singen hörte. Da verwunderte er sich noch mehr und es trieb ihn eine Neugierde, daß er sich ihm schnell näherte, um zu erfahren und mit eigenen Augen zu sehen, was das wäre, und ob es DREI wären, welche da sängen. Doch auch da sah er Niemanden anders, als den Ansverus und hörte doch drei Stimmen. Aus diesem Gesichte nun, welches der Schüler hatte, merkte und schloß man, daß Ansverus in dem beschaulichen Leben ein Nachfolger des heil. Augustinus war, welcher in der heil. Dreieinigkeit drei Personen, aber nur ein Wesen verkündigte. So wie Abraham drei Männer sah und nur einen anbetete, so sah dieser Schüler nur einen und hörte drei. - 07 Ansverus als Abt des Klosters Ratzeburg. Doch nun war es an der Zeit, daß das Traumgesicht
erfüllet wurde, welches Ansverus auf dem Wege von seiner Vaterstadt
nach dem Kloster vor Ratzeburg gehabt hatte, daß er dort, wohin er
kommen würde, das oberste Regiment erlangen würde. Es geschah
nämlich, daß der bisherige Abt des Klosters starb. Da kamen alle
Brüder in dem Kloster zusammen, um einen neuen Abt aus ihrer Mitte
zu wählen, und einstimmig erkoren sie den Ansverus zu ihrem Oberen.
Das war die Schickung Gottes, daß alle Trübsal und aller Kummer,
welche er hatte erdulden müssen, ihn zu dem herrlichsten und
seligsten Ziele führten. Als Abt nun leitete Ansverus die Schaar,
welche ihm befohlen war, durch heilige Lehre und eigenes gutes
Beispiel an zu einem tugendsamen Leben in stetem Glauben,
unerschütterlicher Hoffnung und seliger Liebe, so daß seine
Zeitgenossen, gewohnt, ausgezeichnete Männer mit Heiligen aus der
Schrift zu vergleichen, von ihm sagten, im Glauben folge er Abraham,
in der Hoffnung dem rechtfertigen Simeon und in der Liebe dem Herrn
Jesu Christo selbst, welcher sich der Sünder erbarmt, ihrer Reue
wartet und nicht den Tod des Sünders will, sondern daß er lebe. 08 streng verfahren würde gegen den Missethäter,
oder, wenn er ihn zu leicht bestrafte, daß er seine Übertretung zu
begünstigen schiene. Daher flehte er zu Jesu in seinem Gebete, daß
er ihm in den Sinn geben möchte, wie er die Sünde bestrafen sollte,
ohne das Maaß zu überschreiten. Während er noch betete, so fiel vom
Himmel eine Ruthe 11) in seine Hand, zum Zeichen der
Strafe und Züchtigung des Missethäters. Als der Missethäter nun,
welcher bisher seine Übertretung für unbedeutend und wenig strafbar
gehalten hatte, die Größe seiner Missethat daraus erkannte, daß er
in der Hand des Abtes die vom Himmel gefallene Zuchtruthe sah, so
gestand er sein Verbrechen ein und bereuete dasselbe so aufrichtig,
daß er acht Tage lang harte Buße that und am neunten Tage im Frieden
Gottes eines sanften Todes verschied. Als Ansverus dies vernahm,
wandte er sich im Gebet zu Gott und fragte ihn, was er nun mit der
ihm vom Himmel gesandten Ruthe machen sollte. Und in demselben
Augenblicke verwandelte sich die Ruthe in ein langes Wachslicht,
welches mit Holz umkleidet war, und welches so lange in demKloster
vor Ratzeburg aufbewahrt wurde, bis dasselbe 1006 zerstöret wurde. 09 haben haben bewundern können seine Milde 12)
und Gottergebenheit, mit welcher er als Abt seine ihm anvertraute
Schaar anführte und auf den rechten Weg zu leiten suchte. Aber dies
Alles verschwindet vor der Herrlichkeit, zu welcher er nun noch
erhoben werden sollte. Er war groß, wahrhaft erhaben und
nachahmungswerth in seinem Leben, er war aber noch größer in seinem
Tode; denn da sollte man noch mehr den Sieg eines frommen und
demüthigen Herzen über die Rohheit und Verstocktheit der Sünder
erblicken. Der eine Theil seines Traumes, welchen er auf dem Wege
nach dem Kloster gehabt hatte, war schon erfüllt worden, er war Abt
des Klosters geworden und hatte das oberste Regiment erlangt, der
andere Theil aber, daß er bis an seinen Tod Gott dienen sollte, das
sollte er nun auf eine herrliche Weise offenbaren. 10 Gottschalk's Vater war UDO, der Sohn MISTEVOY'S, ein Fürst der Obotriten, welcher von 1023-1031 über dieselben regierte. Zwar hatte Udo aus Furcht vor BERNHARD dem strengen Herzog der Sachsen, Ruhe in seinem Lande halten müssen, im Herzen aber war er dem Christenthum abhold geblieben und hatte es sogar, wo er es nur vermochte, mit Grausamkeit verfolgt. Aus Furcht vor Hz. Bernhard hatte er selbst gegen seine Überzeugung den Erzbischof Unvanus in Hamburg besucht und seinen Sohn in das St. Michaelis-Kloster zu Lüneburg geschickt, wo derselbe getauft wurde und den Namen Gottschalk erhielt. Als dieser Gottschalk nun aber hörte, daß sein Vater Udo von einem Sachsen, einem Christen, ermordet worden war, so entfloh er aus seinem Kloster, schwur den Christenglauben ab und ward in dem Maße ein Feind desselben, daß er allen Christen in seinem Lande Verderben schwur und mit der Horde, welche er zusammen brachte, ganz Holstein, Stormarn und Dithmarsen verheerte. Endlich aber, als er von Reue über seine Frevelthaten ergriffen, sich wieder dem Christenglauben etwas zugewandt hatte, wurde er von Hz. Bernhard gefangen genommen, welcher ihn zwar anfänglich in Fesseln hielt, ihm aber bald wieder, wahrscheinlich unter der Bedingung, das Land zu räumen, die Freiheit gab. Nachdem Gottschalk nun mehrere Jahre unter Kanud dem Großen gefochten, dort großen Ruhm im Kriege gegen Norweger und Engländer gewonnen, und eine Anverwandte Kanud's, Sirith, eine Christin, zur Gemahlin erhalten hatte, Ratibor aber, welcher nach Udo's Tode über die Obotriten geherrscht hatte und auch dessen acht Söhne im Kriege gegen die Dänen gefallen waren, so machte er wiederum Ansprüche auf das Land der Obo- 11 triten, stellte sich an die Spitze seines Volkes, überwand mit Hülfe der Dänen und des Herzogs von Sachsen auch die Wagrier und Polaben und wurde von Dänemark und Sachsen als König der Obotriten, Wagrier und Polaben anerkannt. So war Gottschalk nicht nur zum Christenthum zurückgekehrt, sondern er erwarb sich nnn auch die größten Verdienste um die Verbreitung desselben, ja er predigte selbst dasselbe seinen Unterthanen, indem er die Vorträge der Geistlichen und Bischöfe des besseren Verständnisses wegen ins Slavische übersetzte. Immer mehr Priester zog er heran und gründete viele Klöster und unter diesen das zu Ratzeburg, 13) welches dem heil.Georg geweiht und nach der Regel der Benedictiner eingerichtet wurde. Bald nach der Stiftung des Klosters jedoch, das in Kurzem eine solche Wichtigkeit erhielt, daß es sogar vom Erzbischof Adalbert von Hamburg zum Sitze eines Bischofs bestimmt wurde 14), kam durch den Streit, welchen Erzbischof Adalbert mit Herzog Bernhard's Söhnen ORDULF und HERMANN hatte, und in welchem letztere sich endlich 1062 vor dem mächtigen geistlichen Herrn, welcher noch in gutem Einverständniße mit dem Erzbischof Hanno von Köln stand, beugen mußten, die Burg Ratzeburg 15) und mit derselben auch jenes St. Georgs-Kloster durch Verleihung Kg. Heinrich IV. in den Besitz Hz. Ordulf's von Sachsen, indem Gottschalk, anderweitig genug beschäftigt, sich nicht um diese entlegenen Orte kümmern konnte. So wichtig aber auch der Besitz der Burg zu Ratzeburg war, um sich gegen die angränzenden Slaven zu behaupten, so war dieser Besitz für die Sachsen doch nur von sehr kurzer Dauer, denn dem Aufstand, welcher unter den heidnischen Obotriten ausbrach und dem Christenthum zum zweiten Male in 12 diesen Gegenden beinahe ein Ende machte, wurde auch Ratzeburg ein Opfer und so natürlich zuvörderst auch das am See belegene Kloster des heil. Georg. Dieser Aufstand nun, welcher besonders durch die Habsucht und die Strenge der Sachsen erregt wurde, kam, da Hz. Ordulf nicht das Ansehn und die Macht seines gestrengen Vaters behaupten konnte, unter PLUSSO, einem Schwager Gottschalk's, auf eine furchtbare Weise zum Ausbruch. Entsetzliche Grausamkeiten wurden verübt und sogar Gottschalk selbst wurde zu Lenzen an der Elbe beim Gottesdienst in der Kirche überfallen und ermordet; und noch viele andere Gräuelthaten geschahen, welche hier aufzuzählen uns zu weit führen würde. Des Ansverus Leiden und Tod. Und so kehren wir zu unserm Ansverus zurück, welcher mitsammt seinen Brüdern ebenfalls ein Opfer der empörten und blutgierigen Slaveu wurde. Die Anzahl derer nämlich, welche als Mönche in dem Kloster bei Ratzebnrg lebten und von dort aus aufs thätigste für die Ausbreitung des Christenthum's gearbeitet hatten, war mit Einschluß des Abtes auf neun und zwanzig gewachsen. Bei jenem Aufstande nun (es geschah dieser aber am 15ten July des Jahrs 1066) fiel ein Schwarm von heidnischen Slaven mit einer unerhörten Wuth über das St. Georgskloster her und wie wilde Löwen, sagt die Legende, rissen sie voll Grausamkeit den heil. Ansverus mit seinen acht und zwanzig Klosterbrüdern aus demselben und schleppten sie nach dem etwa 2000 Schritt vom Kloster entfernten Rinsberg, wo sie den frommen Brüdern 13 den Tod der Steinigung bereiteten. Da nun aber Ansverus fürchtete, daß etliche von seiner Schaar aus Furcht vor einem solchen Tode den Christenglauben verläugnen möchten, so bat er seine heidnischen Verfolger, daß sie seiner so lange schonen möchten, bis die Brüder alle getödtet wären. Jene bewilligten ihm seine Bitte, in der Hoffnung, daß er vielleicht von dem christlichen Glauben abfallen würde. Doch es war ihm ja auf dem Wege nach dem Kloster geweissagt worden, daß er bis an seinen Tod Gott treu dienen werde und so ward denn auch die Hoffnung der Slaven gänzlich getäuscht: anstatt seinen Glauben zu verläugnen, feuerte Ansverus seine Brüder, gleich als wenn er schon die Seligkeit, die ihnen bevorstand, fühlte, durch die Erzählung des bittern Todes Jesu Christi und der heiligen Märtyrer an. Als die ungläubigen Slaven dies hörten, so wurden sie noch viel mehr bestärkt in ihrer Bosheit und griffen alsbald ohne alles Mitleid zu den Steinen, und gleichsam in einem Sturme tödteten sie sechs und zwanzig Mönche. Während diese aber noch mit dem Tode kämpften, so überstralte sie Gott, zum Beweise, daß er allen denjenigen beistehe, welche ihn in ihrer Noth anrufen, mit wunderbarem Glanze himmlischer Klarheit. Andere Christen, welche dabei standen, sahen in diesem Glanze leuchtende Schaarr von Engeln Gottes, welche die Seelen der heiligen Märtyrer mit himmlischen Gesange zur Freude des Himmels einführten. Welche Wonne, welcher Jubel war da, sagt die Legende, 16) wo das Licht der Engel die Seelen der Märtyrer zur Erduldung der großen Leiden ermuthigte. Weshalb denn auch viele von den Umstehenden, ermuthigt durch die himmlische Klarheit, den Glauben der Christen und derer bekannten, welche gesteinigt wurden, 14 und in derselben Stunde selbst auch gesteinigt
ihre Seele dem Herrn befahlen: So war bei der Steinigung zufällig
unter andern ein Mann mit seiner Frau zugegen, welche beide Zeugen
dieser wunderbaren Erscheinung waren. Da sprach die Frau zu ihrem
Manne: "Siehst du nicht die leuchtende Klarheit Gottes und die
Engel, welche die Seelen der heiligen Märtyrer zu der ewigen Freude
einführen? Bei dieser heiligen Schaar wollen wir bleiben, und es ist
uns auch nichts nütze, daß wir uns von ihnen trennen, deßhalb wollen
wir offen bekennen, daß Christus ist der Sohn Gottes, an den wir
glauben, und wir wollen sagen, daß wir Christen sind." Da antwortete
ihr der Mann, der zwar auch für Christo gewonnen war, aber noch
nicht den mnthigen Glauben seiner Frau besaß: "Wir haben aber noch
viele kleine Kinder zu Hause, wem sollen wir die befehlen?" Es
antwortete das Weib: "der Vater im Himmel ist ein Beschirmer und
Helfer der Waisen, die er geschaffen hat, und zum Lobe seines Namens
und zu seiner Ehre werden wir diesen Tod erleiden; Er aber wird sich
ihrer annehmen und wird ihr allertreuester Hüter und Beschützer
sein." Sofort boten sich beide mit den heil. Märtyrern zum Opfer
Gottes dar und wurden gesteinigt. 15 diger in der göttlichen Liebe und warf denselben
Stein seinem Mörder wieder zurück, und dieser traf ihn sodann oben
auf dem Kopfe, daß er ihm die Hirnschale zerschmetterte. Johannes
aber warf nun den Stein zum zweiten Male zurück, und zum dritten
Male getroffen, gab endlich der fromme Mann seinen Geist auf. Sodann
wurde auch Volquinus herangeschleppt, und von demselben Steine
getroffen, befahl auch er seine Seele seinem Schöpfer. 16 mung, daß der Leichnam, welcher oben schwimmen würde, der Körper des vornehmsten Märtyrers sein sollte. Sofort gingen alle Leichen der übrigen Märtyrer unter, nur die des Ansverus schwamm oben. Da aber der Priester noch zweifelte, so bat er aufs Neue Gott, daß wenn das Wunder wirklich wahr wäre, der Leichnam, welcher oben schwämme, untergehen und diejenigen, welche zu Grunde gegangen wären, wieder hervorkommen möchten; welches auch sogleich geschah. Sie sammelten nun alle Leichname und begruben sie in der Nahe des Ortes, wo sie gesteinigt waren, mit großer Ehrfurcht, den Leichnam des Ansverus aber, welchen sie nun durch die eben erzählten Wunder erkannt hatten, begruben sie in einem gehauenen steinernen Gewölbe 18) des Klosters, welches er bewohnt hatte. Des Ansverus Erhöhung und Heiligsprechung. Einige Zeit nachher, etwa ein Jahrhundert später, kam ein blinder Mann zu der Kluft und wollte sein Gebet verrichten und stieß zufällig mit seinem Fuße an das steinerne Grab des Ansverus. Da fiel er auf dasselbe mit gefalteten Händen hin und betete innig zu Gott, und er ward zur selbigen Stunde sehend. Aus Freude hierüber ging er zum Bischof EVERMODUS von Ratzeburg und erzählte ihm das Wunder seiner Heilung. Dieser aber versammelte viele Geistliche und Laien und Edelleutc, und grub den Leichnam des Ansverus aus und brachte denselben mit große Ehren in die Kirche zu Ratzeburg. 17 Ein anderes Wunder soll im Jahre 1329 am Abende vor dem St. Jacobustage geschehen seyn. Ein ehrliches Weib, heißt es in der Legende, schlummerte leise und sah zwei Männer zu sich kommen in leuchtenden Kleidern, welche zu ihr sprachen: "Von Gott sind wir zu dir gesandt, um dir zu verkündigen, daß Gott der Herr durch dich will geehrt werden". Alsbald verschwand das Gesichte. Als sie nun erwachte, so hielt sie es für einen Traum. Um Mitternacht stand sie auf, um, wie sie gewohnt war, zu beten; da sah sie mit leiblichen Augen dieselben zwei Männer in denselben Kleidern zu sich kommen und sie hatten zwei brennende Wachslichter in den Händen und sagten abermals zu ihr: "Von Gott sind wir zu dir gesandt, daß du uns sollst verkündigen, auf daß Gott der Herr durch dich in uns geehrt werde". Darüber verwunderte sie sich sehr und sprach zu ihnen: "Wer seyd ihr und wie soll Gott in Euch geehrt werden?" Da sprach derjenige, welcher der Kleinste von ihnen war (Ansverus): "Wir sind die Vornehmsten von den Märtyrern, welche vor Ratzeburg wegen ihres Glaubens und um des Namens Jesu Christi willen von den Heiden gesteinigt worden sind, und wir sind mit Jesu unter der Zahl der Heiligen in der himmlischen Freude, darum sollst du Gott loben und ehren in uns und in allen Märtyrern, und durch dein Gebet an der Stelle, wo unsere Gebeine begraben sind, hat Gott durch unsere Verdienste vielen Leuten Seligkeit verliehen." Als sie dies gesagt hatten, verschwanden sie. Durch die Erscheinung dieser Heiligen und dnrch ihre Worte ward die Frau von großer Liebe zu Gott entflammt und dankte Gott von ganzem Herzen und segnete in allen ihren Gebeten den gekreuzigten Jesum um der Märtyrer willen. 18 An dem nächsten Feste der Himmelfahrt kam sie nach
Ratzeburg, um Gnade und Ablaß zu erhalten für ihre Sünden; und als
sie dort in der Proeession den Herrn Jesum und seine Mutter und
viele Engel mit ihnen in großer Klarheit sah, und auch jene beiden
Märtyrer erblickte, welche sie oft ansahen, so wurde sie noch mehr
mit göttlicher Liebe und Freude gestärket, als bei der ersten
Offenbarung derselben. Als nun die Procession in das Kloster ging,
so folgte Jesus mit seiner ganzen Schaar und auch die beiden
Märtyrer und blieben dort, bis der Zug in das Chor ging: da folgten
auch sie in das Chor und sangen dort den allerschönsten Gesangs
Nachdem aber die Messe auf's herrlichste gesungen war, ging die Frau
mit großer Freude in ihr Haus zurück und blieb voll von der Furcht
und der Liebe Gottes. 19 sie sah ihn nicht mehr; die andern beiden aber neigten ihre Häupter vor dem heiligen Stephanus und gingen nach der Stelle, wo die Frau betete und sahen sie mit heiterem Antlitze an, als wenn sie ihre Freundinn und ihnen wohlbekannt wäre, und sprachen zu ihr mit sanften Worten: "Fürchte dich nicht und frage uns, und wir wollen dir alles sagen, was du uns fragen wirst, hinsichtlich dessen, was wir sind." Sie aber durch die freundlichen Worte ermuthigt, fragte sie: "Wer seyd Ihr und wie heißet Ihr?" Da antwortete der Jüngste von ihnen: "Mein Name ist Ansverus, und ich war ein Abt und ein Vater einiger Mönche in dem Kloster vor Ratzeburg und wir wurden auf dem Berge vor Ratzeburg wegen des Glaubens an Christum gesteinigt und der, welchen du hier neben mir siehst, heißt Johannes." Da fragte sie: "Wer war denn der dritte, der mit Euch vom Chore kam und welches ist sein Name"? Er antwortete: "Volquinus heißet er". Sie darauf: "Warum trennte er sich dort von Euch"? Ansverus: "Gott hat ihn an einen andern Ort gesandt, daß er unsere Marter verkünden soll". Da sah das Weib, daß auf dem Altar drei Kerzen standen, welche hell leuchteten, darnach noch heller und endlich am allerhellsten; und als sie fragte, was diese Verwandlung bedeute, so antwortete Ansverus: "So wie sich die Klarheit der Kerzen vermehrte, so soll nach der Vorsehung Gottes der Ruhm unsers Märtyrertodes über die ganze Welt verbreitet werden." Und als sie zu fragen fortfuhr: "Wo ward denn Eure Marter vollbracht?" so erzählete Ansverus sein und der Mönche ganzes Leiden, wie es oben beschrieben stehet, und sagte dabei: "In dreien Zeiten sind wir dir erschienen von Gott gesandt, daß du der Kirche unsere Marter und den 20 Ort, an welchem unsere Gebeine liegen,
offenbaren sollst," und als sie einwarf: "Wie kann ich das thun, die
ich eine arme und gemeine Frau bin"? so sagte Ansverus: "Fürchte
dich nicht, Gott hat die Kranken und Armen vor der Welt auserwählt,
auf daß er beweise, daß die, welche von der Welt für stark und
mächtig gehalten werden, eitel und vergänglich sind. Geh," sagte er,
"und zeige dem Propsten dieser Kirche alle Dinge an, die du gesehn
und gehöret hast, daß er sie verkünde seinem Vorgesetzten, auf daß
Gott wegen unserer Verdienste über die ganze Christenheit und über
diese Kirche und über dies ganze Land sich erbarmen möge." Als er
dies gesagt hatte, so gingen sie auf das Chor und die Engel nahmen
die Kerzen und sie verschwanden. Da lobete und benedeite die Frau
Gott mit eifrigem und innigem Gebete wegen der großen Gnade, die ihr
geschehen war, zum Lobe und zur Ehre Gottes, der sie vor allen
Creaturen gesegnet hatte. - 21 verus in die Domkirche. Jedoch wenn Ansverus schon damals zum Heiligen erhoben worden wäre, so würde er gewiß 1250 auch in Gesellschaft des heil. Evermodus und heil. Isfridus sich befunden haben, als diese dem Ludolfus den heiligen Kelch reichten (siehe Anm. I, c); ferner würde dann die Legende schon viel früher verfaßt worden seyn und nicht erst nach dem Jahre 1330; besonders aber würde die ganze Erzählung von der Frau, welcher in der Domkirche zu dreyen Malen Ansverus erschien, ohne Sinn seyn, indem dieser, wenn er schon als Heiliger verehrt wurde, nicht mehr nöthig hatte, von der Frau zu verlangen, daß SIE DER HEILIGEN KIRCHE SEINE UND SEINER KLOSTERBRÜDER MARTER UND GEBEINE OFFENBAREN SOLLTE, DAMIT GOTT DER HERR WEGEN IHRER VERDIENSTE SICH ÜBER DIE GANZE CHRISTENHEIT, ÜBER DIESE KIRCHE UND ÜBER DAS GANZE LANDE ERBARME. Wurde also durch dieses Gesicht der Frau der Propst der Kirche und der Bischof erst aufmerksam gemacht auf die Verdienste und die Verehrung des Ansverus, so hatte dieser damals noch keine Verehrung, und seine Canonisation scheint erst in Folge dieses Gesichts geschehen zu seyn. Daher ist auch in der Legende das Jahr, und sogar Tag und Stunde so genau angegeben, wann diese Erscheinung Statt hatte, durch welche sodann ohne Zweifel das Verlangen, den Ansverus heilig zu sprechen, motivirt wurde. Wir meinen also, daß, da einmal durch andere bestimmte und zuverlässigeren Zeugnisse das Jahr der Canonisation des Ansverus nicht bekannt ist, diese mit ziemlicher Gewißheit in das Jahr 1330 oder bald nachher zu setzen sey. Von dem an war denn der Ansverus-Tag (15. July) ein allgemeiner Festtag für Ratzeburg und dessen Umgegend, nur daß weil dieser Tag mit 22 andern Festtagen zusammenfiel, später statt des
13. July (dici divisionis Apostolorum) der
18. Juli (dies Arnulfi) dazu
genommen wurde. So scheint denn damit auch der Ratzeburger
Sommer-Markt oder die Sommer-Messe zusammen zu hängen, welche 8 Tage
vor Jacobi zu fallen pflegt, indem es bekannt ist, daß bedeutende
Kirchenfeste, die viele Menschen zusammenführten, auch dem Handel
und Wandel zum Anhalt dienten. 23 welchem Jahre auch der erwählte Bischof Henricus darauf verpflichtet wurde, an den vier Hauptfesten und am Feste des HEIL. ANSVERUS UND SEINER GENOSSEN die Hochmesse in der Domkirche zu halten. 1530 wurde des Ansverus silbernes Brustbild vom Domcapitel verkauft, 1552 wurde wiederum ein solches Bild vom Gr. Volrad von Mansfeld auf Anstiften des Hz. Franz mit vielen andern Kostbarkeiten aus der Domkirche geraubt. Wir sehen also aus diesem allen, daß Ansverus ein sehr geehrter und bedeutender Heiliger für Ratzeburg sowohl, als für seine Umgegend war; ja auch nach Einführung der Reformation wurde sein Fest gefeiert und nach der lauenburgischen Kirchenordnung sollte an dem Sonntage nach seinem Feste ein Te Deum gesungen und des Ansverus gedacht werden. Auch soll ein Arm des Ansverus von dem Bischof zu Ratzeburg in das Marienkloster zu Stade (es ist ungewiß wann?) geschickt sein, welches aber im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts schon zerstört war. Noch übrige Denkmäler. Wir wenden uns nun endlich zu den beiden Denkmälern, welche noch bis auf den heutigen Tag das Gedächtniß des heil. Ansverus bewahren und fortpflanzen. Das erste ist ohne Zweifel das STEINERNE KREUZ, welches an der des Fußweges von Ratzeburg nach Buchholz steht. Es erhebt sich gegen 11 Fuß aus der Erde, der Hauptstamm hat eine Breite von 2 Fuß, der Querbalken aber eine Länge Von 3 3/4 Fuß. Um diesen Querbalken und den Hauptstamm ist wieder ein rundes 24 Band. Wenn jetzt die allgemeine Sage geht und auch
in neuern Büchern behauptet wird, es habe dieses Kreuz neuerlich
eine andere Stelle bekommen, so können wir dieser Behauptung aus
sehr glaubwürdigen Quellen und zwar aus amtlichen Mittheilungen
widersprechen. 25 An dem Kreuze war ein Krucifix, nicht erhaben
hervortretend, sondern mit bloßen Umrissen eingehauen, welches noch
ziemlich deutlich zu erkennen ist. Auf der linken desselben
zieht sich ein Band herab mit einer jetzt unleserlich gewordenen
Inschrift. Unter demselben befindet sich ein Todtenkopf mit
kreuzweis gelegten Beinknochen, ebenfalls in Umrissen eingehauen.
Unter diesem wiederum befinden sich Spuren einer schwerlich noch zu
entziffernden Jahreszahl. Das Material des Kreuzes ist Lüneburger
Kalkstein. 26 als das Kreuz, geht daraus hervor, daß das Kreuz schon auf dem Bilde sich findet. Die Tafel zerfällt in 12 einzelne getrennte Bilder, von denen immer vier in einer Reihe stehen, und welche folgende.Unterschriften haben:
27 richt vorhanden. Wahrscheinlich sind dieselben in Folge der Reformation entfernt worden, so wie wir auch oben bemerkt haben, daß das eine silberne Bild des Ansverus in der Domkirche verkauft, das andere geraubt worden sey. Die Gebeine wurden gewiß, aus Furcht vor dem im sechszehnten Jahrhundert immer noch fortdauernden Aberglauben aus der Domkirche geschafft oder so beseitigt, daß ihre Wiederauffindung unmöglich gemacht war. Wegen der in Bezug auf den Aberglauben damals nöthigen Vorsicht vergleiche man, was Burmester Beiträge zur Kirchengesch, von Lauenb. 1832 p. 143 von der Mühe erzählt, welche es gekostet habe, die Verehrung des Marienbildes und des heiligen Blutes zu Büchen abzustellen. 28
Anmerkungen und Erläuterungen. 1) a. Evermodus, ein geborner Niederländer, hatte durch seinen Eifer im Glauben das Vertrauen seines Lehrers, des heil. NORBERT, gewonnen, war Prämonstratensermönch geworden und hatte den heil. Norbert, als derselbe zum Erzbischof nach Magdeburg berufen war, ebendahin begleitet, woselbst er Propst des Prämonstratenserklosters UNSER LIEBER FRAUEN, und nachher auch Propst des Klosters Gratia Dei wurde. 1154 ernannte ihn Hz. HEINRICH DER LÖWE zum Bischof des neu gestifteten Bisthums Ratzeburg und Erzbischof HARTWIG von Hamburg führte ihn ein. Sein Bischofssitz war auf dem St. Georgsberge, erst später auf der nahe beim festen Schlosse gelegenen Insel, welche Graf Heinrich von Ratzeburg dem Bischöfe einräumte, und wo nun auch der Bau der Domkirche begann. Die Investitur erhielt Evermodus vom Hz. Heinrich dem Löwen. - 1172 weihte Evermodus den Bischof Heinrich von Lübeck ein. Die Sage will, daß Evermodus die Gebeine des heil. Ansverus in die Domkirche versetzt, das Schloß Verchow erbaut, den Hz. Heinrich d. L. auf seinen Kreuzzug nach Palästina begleitet, und von dort mitgebrachte Reliquien der Domkirche geschenkt habe. Durch seine Thätigkeit vermehrten sich die Kirchen im Lande, und er selbst führte ein gottselig Leben und blieb in Heiligkeit und Gerechtigkeit bis an sein Ende. Auch werden Wunder von ihm berichtet. Graf Heinrich von Ratzeburg hatte zwei vornehme Friesen in Gefangenschaft und mißhandelte diese ungeachtet der Gegenvorstellungen Evermod's. Aber als am Osterfeste die 29 Gefangenen dem Gottesdienste in der St.
Georgskirche beiwohnten und Evermod ihre Fesseln mit Weihwasser
besprengte, die Worte sprechend: "der Herr richtet die Gefangenen
auf, der Herr löset die Gebundenen!", da zersprangen alsbald die
Fesseln mit großem Geräusch und die Befreieten priesen Gott. -
In
Dithmarsen, wohin Evermod den Erzbischof Hartwig einmal begleitete,
gab Evermod einem widerspenstigen Manne, der ungeachtet aller
Gegenvorstellungen die Blutrache nicht hatte aufgeben wollen,
anstatt des Segens eine mächtige Ohrfeige, worauf sogleich der
Teufel aus dem Manne fuhr, und dieser sofort die Rache aufgab und
sich mit seinem Feinde versöhnte. - Die von ihm einmal eines
Geschäftes wegen abgelegten, zu seiner Amtstracht gehörigen
Handschuhe fand er wunderbar in der Luft schwebend, worüber alle,
die es sahen, in Staunen geriethen. Vergl. Masch p.
74 und flgd. 30 Wein verwandelt ward; als dieses zum dritten Male
geschehen, habe er es mit Thränen, aber den Willen Gottes erkennend,
ausgetrunken. Zu
Anfang des 16. Jahrhunderts wurde noch der Brunnen auf dem Dome
neben dem Schatzhause gezeigt; heutzutage ist er unbekannt. - Desgleichen, als Isfrid einst bei der Procession um den Kirchhof
einen blinden Bettler mit Weihwasser
besprengte, mit den Worten: "der Herr löset die Gefesselten, der
Herr erleuchtet die Blinden!", so erhielt dieser augenblicklich sein
Gesicht wieder. Isfrid's wie Evermod's Gebeine waren lange Zeit in
einer besondern Steinkiste auf dem
Chore der Domkirche aufbewahrt worden; späterhin sind sie von dort
weggeschafft und wahrscheinlich im großen Mittelgange der Domkirche
beigesetzt worden, wo auch noch ihre Grabsteine sich finden. Vergl.
Masch p. 86 u. flgd. 31 dieses nicht "aus einem Hause des Herrn in eine
Räuberhöhle verwandelt würde." Als er einst in Amtsgeschäften von
nur Wenigen begleitet ausgereiset war, ward er von Erikinus de Remor
(vielleicht von Buchwald), einem lübeckischen Ritter, gefangen
genommen, verspottet, hart behandelt, ins Gefängniß geworfen, in
Wälder geführt, und an Händen und Füßen gebunden den Stichen der
Mücken preisgegeben, und endlich, da er das Alles geduldig ertrug,
an einen Juden verpfändet, dann in die Wälder zurückgebracht. Nach
seiner Befreiung begab er sich aber nicht nach Ratzeburg zurück,
sondern nach Wismar zum Fürsten von Mecklenburg, JOHANN DEM
THEOLOGEN. Von hier aus belegte er im Jahr 1240 (nicht aus Haß,
sondern der Gerechtigkeit wegen) Hz. Albrecht und seine Nachkommen
bis ins vierte Glied mit dem Banne, segnete aber Johann von
Mecklenburg und seine Nachkommen. In Wismar lebte er bei den
Minoriten, wo er bald durch Nachtwachen und Fasten aufgerieben
wurde. In der Nacht vor seinem Tode sah er auf wunderbare Weise zwei
Geistliche zu sich kommen, welche ihm den Kelch des Heils reichten.
Man glaubte allgemein, es wären dieses die Heiligen Evermodus und
Isfridus gewesen und am folgenden Tage den 29. März
1250 starb er, während im Chore die Messe gesungen wurde.
Das erste Zeichen seiner Heiligkeit erkannte man daraus, daß, als
seine Leiche von Wismar nach Ratzeburg zurückgebracht wurde und in
der Nähe von SCHLAGSDORF vorüberkam, die Glocken dort von selbst zu läuten anfingen. 32 Auf Befehl des Herzogs wurde seine Leiche von der
Brücke bis zum Kirchhofe durch Edelleute getragen, von wo aus die
Domherrn sie in die Mitte der Kirche trugen. Nach seinem Tode that
er viele Wunder. So z. B. ward Ritter Hartwig von Ritzerow durch seinen Glauben an den heil. Ludolf und sein Gebet an
ihn von einer Pfeilspitze befreit, welche demselben im Kopfe stecken
geblieben war, und welche früherhin auf keine Weise hatte entfernt
werden können; wofür der Ritter
durch kostbare, der Domkirche gemachte Geschenke sich dankbar bewies.
- Vergl. Masch p. 140 u. flgd. v. Kobbe I. 310. 33 34 nobiles , Kiliae 1748, p. 12-34. it. Addenda
p. 63 seqq. CHRISTIANI Gesch. von Schlesw. u. Holstein
I, 231 und flgd. v. KOBBE Gesch. des Hzghthums Lauenburg
I, p. 79-91, endlisch MASCH Gesch. des Bisthums
Ratzeburg, p. 19-24. 35 schofssitz daselbst bekleidete, nach Ratzeburg
gegangen sey. Daraus folgt, daß er zwischen den Jahren 1050
und 1060 nach Ratzeburg gekommen sey. Wenn man nun
noch hinzunimmt, daß Ansverus erst die ganze Schule im Kloster
durchmachen mußte, ehe er Mönch werden konnte, daß dann noch einige
Zeit vergangen sey, ehe er Abt geworden, so erhellt, daß er ungefähr
ums Jahr 1040 das Licht der Welt erblickt habe.
cf. Westph. III, p. 382. CHRISTIANI
I, p. 231 verbindet beides und nennt ihn einen
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN Edelmann. 36 ein reicher Baron, einer der principes
civictates nach Tac. Germ. Sein Adel wird viel erwähnt,
nobilibus
parentibus, festivam geneologiam duxit, utpote de patre nobili,
milite strenuo etc. Ferner nobili prosapia: o Ansvere,
vir nobilis; was ghebaren van eddelen olderen u.s.w. Wie man
leicht einsehen kann, erlosch mit Ansverus sein adliges Geschlecht.
cf. Christiani I, p. 231. 37 unter den Carolingern wohl nur bis zur Eider.
Unter den Sächsischen Kaisern aber wurde dieselbe weiter ausgedehnt,
und namentlich legte Otto d. Gr. zu dem neu gestifteten Bisthum zu
Oldenburg (in Wagrien) auch noch die Stadt Heidebo (oder
Schleswig) hinzu. Doch scheint bald nachher Schleswig der Sitz eines
eigenen Bischofs geworden zu seyn. In dem Officium de S. Ansv.
heißt es Lect. I: Ipso namque tempore - Sleswick
civitas Saxonum Transalbianorum, quae sita est ia confinio
Danici regni, opulentissima atque populosissima etc. Rudolph war der achte
Bischof von Schleswig und wurde 1038 von Bezelinus Hildebrand,
dessen Capellmeister er früher gewesen war, dahin gesandt. Unter
seinem Episcopat wollte Adalbert von Hamburg sein Patriarchat
stiften. Er starb im Jahre 1066. 38 10) Die Legende sagt: de dar
den yeunen de ene myldeliken bydden, gyfft beide mynschlike unde
gotlike wetenheit, so vele ene nutte is to wetende. 39 als in der Kirche selbst, begraben worden sey, weil, wie er sagt, die Kirche, wenn sie gleich als die älteste im Lande angeführt würde, damals wohl der allgemeinen Verwüstung nicht entgangen sey. Er schließt dies aus einem Fragment, welches Cuperus aus dem Appendix der Legende citirt hat, wo es ungefähr folgendermaaßen heißt: Es geschah aber, daß, als der Tag und die Stunde der Translation der Gebeine des Ansverus bekannt gemacht war, ein blinder Mann, welcher Trost suchte, die Zeit der Ausgrabung zu beschleunigen suchte. Deßhalb ging er langsam und träge, wie es die Blinden zu thun pflegen, nach dem KIRCHHOFE der St. GEORGSKIRCHE u.s.w. 40 unpaginiert |