
[Text auf Seite 10 oben: Ende des
Kapitels über Mölln]
[...] Als wir ein wenig gespeiset
hatten, fuhren wir um drey Uhr von hier auf
Ratzeburg, eine starke
Meile,
allda wir etwas vor fünf Uhr ankamen, als man eben
die Thore dieser Vestung schliessen wolte. Man ließ uns, bis unsere
Post-Pässe erstlich auf der Hauptwache, und dann von dem
Commendanten gesehen worden, wohl eine Stunde warten, worüber wir
uns, weil es kalt war, zimlich ärgerten. Wir logirten auf dem Markte
bey Herrn Amtmann Clasen.
Den 6. Morgens besahen wir erstlich den Dom, der wohl das
Allermerkwürdigste allhier ist. Er liegt am Ende der Stadt auf einer
kleinen Höhe, und gehöret dem Herzog von Mecklenburg-Strelitz, wie
dann der Herzog gegen über auf dem Dom-Platz ein zimli-
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ches Haus hat, darinnen ein geheimder Rath wohnet.
Vor dem Hause her gehet eine Mauer, an welcher mit grossen
Buchstaben stehet: Von GOttes Gnaden Adolph Friedrich, Herzog zu
Mecklenburg, etc. der es wohl wird haben erbauen oder renoviren
lassen.
Wieder auf den Dom zu kommen, so ist es ein zimlich hoch und groß
Gebäude, von gebackenen Steinen aufgeführet. Der Küster zeigte uns
erstlich bey dem Eingange den Ort, da eine Stuck-Kugel einem
Soldaten das Bein in der Dänischen Belagerung vor etlich und zwanzig
Jahren hinweg genommen. Man hatte auf die Höhe um den Dom zwey
Batterien gemacht, davon aber nur die eine gebraucht worden. Die
Häuser sind alle durch Bomben in die Asche geleget worden,
ausgenommen der Dom, und einige wenige Gebäude. Jedoch ist auch dem
Dom grosser Schade geschehen, der zu repariren über tausend
Reichsthaler gekostet haben soll. Eine Bombe hat oben durch das
Gewölbe nieder, und einem Soldaten, der sich an diesem Pfeiler in
einen Stuhl niedergesetzt, den Kopf abgeschlagen, da uns der Küster
noch die Merkmahle auf der Erde, und unten an dem Pfeiler zeigte.
Fast in der Mitte der Kirche gegen das Chor zu ist ein grosser
Balken oder Durchzug von Holz, darauf mit goldenen Buchstaben die
Worte aus der 2. Petr. 2,24. stehen:
WELCHER (nemlich Christus) UNSERE SÜNDE SELBST GEOPFERT HAT AN
SEINEM LEIBE AUF DEM, AUF DASZ WIR DER SÜNDE ABGESTORBEN, DER
GERECHTIGKEIT LEBEN. Ein Ungewitter und Donnerstral hat aber alles
ausgelöschet, daß nichts davon als
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die Worte: Christus .... hat .... leben, alleine
stehen geblieben. Der Herr Präpositus hat es etliche mal wieder
wollen repariren lassen, es hat aber kein Gold annehmen wollen. Das
ist sonder Zweifel der Eigenschaft und Natur dieses Donnerstrales
und Schwefels zuzuschreiben, wiewol der Küster ein rechtes Miracul
davon machte. Auf der Erde liegen hin und wieder viele Grab-Steine
von Bischöffen und Canonicis, unter andern ein sehr grosser von
WIPERTO BLICHER, von welchem uns der Küster, welcher sehr gelehrt
thate, und ein alter Studiosus Theologiä gewesen seyn mußte, als
etwas besonders erzehlte, daß, als er erwählet worden, er nur
achtzehen Jahr alt gewesen, deßwegen er Dispensation zu Rom holen
müssen; als ihm aber der Pabst, weil er gar zu jung war, solche
nicht geben wollen, seye er in einer Nacht vor Betrübnis ganz grau
worden, worauf der Pabst gesagt: GOtt hat dich alt genug gemacht,
und gezeiget, daß du Bischoff seyn sollest, worauf er auch
Bischoff worden, allein nur vier Jahr regiert. Der Küster
versicherte uns, daß solches CRANZIUS umständlich erzehle, und
sagte, daß er aus selbigem und andern Scribenten die Historie
hiesiger Bischöffe zusammen getragen, und drucken lassen wolte. Wir
konnten die Jahrzahl und Umschrift von ermeldtem Leichen-Stein nicht
lesen, dieweil die Helfte desselben mit den Kirchenstühlen bedeckt
war, welche gewiß in den meisten Kirchen viele verdecken, und den
Liebhabern verdrießlich sind. Nach dem wiese uns der Küster auf der
Seite in einem kleinen Gewölbe oder Capelle einen kleinen
viereckigten Stein, darunter
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Herzog Herzog Ericus IV. von
Lauenburg begraben seyn soll, weil er im Bann gestorben, und
deßwegen nicht zu den andern Herzogen, deren allhier sonsten
vierzehen begraben liegen sollen, in die Gruft gesetzet worden,
davon auch CRANZIUS Meldung thun soll.
Fast gegen über dieser Capelle an der Mauer des Chors ist eine
gemalte Tafel, auf welcher in etlichen kleinen Feldern die Historie
des Heil. Ansveri, so zuerst Bischoff allhier gewesen, abgebildet
ist. Erstlich wie er noch als ein Heyde von seinen Eltern Abschied
nimmt. Nach dem wie er unter einem Baum ein Gesicht siehet, dadurch
er vermahnet wird, den Christlichen Glauben in dem gleich auf dem
Berge hier gegen über liegenden Closter anzunehmen, davon man noch
die kleine Kirche haussen vor dem Dom gegen über liegen siehet. Im
dritten ist vorgestellt, wie er sich bey den Patribus meldet, und
ein Mönch wird; im vierten, wie ihn in der Kirche in Beyseyn der
Brüder das Kind JEsu zu einem Bischoff machet, und ihme die Mütze
aufsetzet; im fünften, wie er Bischoff zu Ratzeburg wird; im
siebenden, wie er als Bischoff prediget; im achten, wie er die
Wenden bekehret; im neunten, wie er Anno 1066. mit
achtzehen Brüdern eine Stunde von hier bey Buchholz von den
Heydnischen Wenden zu tode gesteiniget wird, woselbst er auch am
Lübeckischen Fußsteig begraben liegen soll, wie noch das daselbst
aufgerichtete steinerne Creuz anzeiget. Im zehenden ist zu sehen,
wie man seinen Cörper suchet, und von den andern Todten nicht
unterscheiden können; im eilften, wie sie nach einer gesche-
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geschehenen Offenbarung die erschlagene Cörper
alle in das Wasser werfen, und der seinige allein oben schwimmmend
geblieben; und im zwölften ist endlich vorgestellt, wie er
ordentlich begraben wird. Oben drüber war mit neuer Schrift und
güldenen Buchstaben obermeldte Historie kurz beschrieben, die aber
die Kälte nicht zuließ, auch eben der Mühe nicht werth war,
abzuschreiben.
Gleich gegen über an der Wand, nicht weit vom Creuzgang, ist ein
steinern Epitaphium, eines VON STRAHLENDORFF, an welchem unten ein
Todten-Kopf abgebildet ist, aus welchem drey Waizen-Aehren wachsen,
so verguldet sind, und weil sie sehr natürlich und wohl gemacht, das
Wahrzeichen des Doms seyn sollen. Nach dem sahen wir oben auf dem
hohen Chor erstlich die schöne in Stein gehauene Tafel, so vor
diesem der Altar gewesen seyn soll. Sie ist etwa drey Ellen hoch,
und vier breit, und hat zwey Thüren von Kupfer. Es ist die ganze
Passion so künstlich, als ich jemalen etwas gesehen, in Stein
gehauen und gemalt. In der Ecke ist das Richthaus abgebildet, daran
nicht allein ein künstlich Fenster oder Gegitter ist, sondern man
siehet noch hinter demselben ein Männgen, als wenn es oben die
Stiegen herunter käme. Das steinerne Grab, da Christus hinein
geleget wird, ist wohl bald einen Schuh tief ausgehöhlet, wie wir
mit unsern Stöcken gemessen. Das Volk, so der Creuzigung zusiehet,
stehet doppelt hinter einander, und man kan doch die Gesichter alle
wohl sehen. Die drey Marien sind erstlich bey dem Ausführen nach der
Schedelstätt, zweytens bey dem Creuz,
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und und drittens bey dem Grab sehr wohl gemacht,
und gleichen einander alle dreymale sehr wohl. Es ist gewißlich ein
vortreffliches Kunststück. Unter der Tafel stehet: Diese
kunstreiche schöne Passion-Tafel ist aus einem Stein gehauen.
Ganz unten lieset man einen grossen Fluch angeschrieben gegen
diejenige, so diesen Stein oder Tafel versehren oder verderben
würden, den aber die Kälte nicht zuliesse, abzuschreiben. Ueber
dieser Tafel stehet Christus mit der Sieges-Fahne etwa fünf
Viertel-Ellen, und neben ihm über einander die zwölf Apostel, jeder
drey Viertel-Ellen hoch von Silber, diese hat HARTWIG VON BÜLOW,
Canonicus, hieher verehrt, und sollen vier hundert und funfzig
Reichsthaler gekostet haben. Es hatte derselbe, wie auch HERR VON
BERKENTIN, ein Gelübde gethan, der Kirche etwas vor fünf hundert
Reichsthaler machen zu lassen, davor er dann, wie gedacht, diese
Apostel, dieser aber den jetzigen schönen Altar von Alabaster, und
braun- und weissem Marmor machen lassen. Weil nun die Apostel nicht
das völlige Geld gekostet, hat HERR VON BÜLOW der Kirche noch eine
Schuld von funfzig Reichsthalern verehrt, davon nach der Hand der
jetzige Cron-Leuchter gekauft worden, so in der Kirche hänget.
Obgemeldter Altar aber ist sehr schön, obwolen nicht gar groß. Unten
ist das Abendmahl, über diesem die Creuzigung, ganz oben die Sendung
des H. Geistes, linker Hand neben die Auferstehung, rechter Hand die
Geburt Christi, unten aber auf der rechten Moses, und gegen ihm über
Johannes der Täufer mit dem Lamm, beyde in Lebens-Grösse.
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Linker Hand des Altars an der Wand in der Höhe ist
ein schönes Epitaphium von Alabaster Herzogs AUGUSTI von
Sachsen-Lauenburg, davor er nebst seiner Gemahlin in Lebens-Grösse
kniet. Gleich darneben ist das Epitaphium Herzogs BERNDT (oder
Bernhardi,) Churfürstens zu Sachsen, das nur ein blosser Schild mit
dem Chur-Sächsischen Wappen ist, oben mit einem alten Helm darauf,
dabey die Jahrzahl 1342. stehet. Gleich unser
[sic!] diesem Schilde hänget das
Gemälde von der Sünderin Maria Magdalena, mit dem Todten-Kopfe, und
gegen über eben dasselbe mit der Verzweifelung an einem Tische,
worauf das Crucifix ist, weinend sitzend. Diese beyden Stücke hat
Herzog CHRISTIAN LUDWIG von Mecklenburg vor 500.
Reichsthaler in Italien erkauft, mitgebracht, und anhero verehrt.
Nachdem sahen wir ausserhalb am Chor an der Maur das Epitaphium des
Herrn HARTWIGS VON BÜLOW, der, wie oben vermeldt, die Apostel
verehrt, und A. 1639. verstorben ist. Es ist von Stein
schlecht gehauen, und die Historie von der Erhöhung der Schlangen in
der Wüsten darauf. Oben steht auf beyden Seiten sein Symbolum:
Mein Trauren hat Ursach, welches Symbolum er wegen einer
Fräulein, mit der er sich versprochen, die aber mit einem andern
davon gegangen, genommen haben soll. Hinten auf der Canzel stehet
der erste hiesige Lutherische Prediger UHLERUS in Stein gehauen.
Unter der Orgel siehet man etliche Wappen von einigen Domherren.
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In dem Gewölbe bey dem Ausgange der Kirche stehet
ein alter verguldeter Wagen, der zur Heimführung einer Herzogin von
Lauenburg gemacht worden; selbiger siehet sehr alt und wunderlich
von Form aus. An dieser Thüre oder Eingang in die Kirche ist auch
eine kleine steinerne Tafel, darauf mit verguldeten alten Buchstaben
folgendes von Fundation des Stifts zu lesen ist: Anno millesimo
centesimo 44. 3tio idus Aug. fundata est ecclesia Cathedralis
Raceburgica ab illustriss. Principe Henrico Leone, Duce Bavar. &
Sax. inf. orate pro Eo. Und dieses ist, was wir in dieser Kirche
sehen können. Ich fragte zwar bey dem Küster, ob nicht bey derselben
eine Bibliothec, oder doch zum wenigsten einige Bücher vorhanden
wären; allein er betheurte, daß gar nichts da seye, welches mich um
so viel mehr verwunderte, weil ich in Herrn SCHLOPKENS Chronic der
Stadt Bardevic Th. I. C. 14. da er von
der Zerstörung der Stadt Bardevic handelt, folgendes gelesen: Das
Kirchen-Geräthe aber, als Rauchfässer, Kelche, Glocken, Schellen,
Meßgewandte, NB. Bücher, ja gar die Fenster aus
den Wänden wurden alle von hier nach Ratzeburg in den Dom, den
HENRICUS neulich allda gestifftet, selbigen damit auszuzieren,
transferirt. [...]
[Die sich hier anschließenden Textpassagen haben
keinen Bezug zum Ratzeburger Dom.]
Alle hier transkribierten Seiten im Urtext
(Frakturschrift) als .pdf-Datei, auch downloadbar:

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