Vorwort.
Seitdem um die Mitte des 17. Jahrhunderts in der
Domkirche zu Ratzeburg verschiedene aus dieser Zeit datirende
Renovationen und bauliche Innereinrichtungen
[sic!], als die jetzt entfernten Domherrenstühle sowie auch
wohl der größte Theil der Gestühle im unteren Schiffraum etc.
ausgeführt waren, scheinen in den folgenden beiden Jahrhunderten
eingreifende Veränderungen oder Erneuerungen nicht stattgefunden zu
haben.
Erst gegen die Mitte unseres Jahrhunderts tauchte die Frage einer
umfangreichern Restauration auf; verlief aber dahin, daß in den
Jahren 1848 und 49 nur die unerläßlichsten Reparaturen an den
Dächern, einzelnen Außenwänden und Fenstern zur Ausführung
gelangten.
Die Frage einer gründlichen Restauration, namentlich des Innern
ruhte wieder mehrere Jahre, bis sie endlich 1871 ernstlich ins Auge
gefaßt und 1876 im Monat Mai in Angriff genommen wurde.
Die specielle Leitung und Beaufsichtigung der nach den Plänen des
Baurath Daniel auszuführenden Arbeiten wurde mir übertragen. - Bei
der 3 Meilen weiten Entfernung meines Wohnortes, bei dem nicht in
Erfüllung gehenden Wunsche, für die Zeitdauer dieser
Restaurationsarbeiten, die ihrem Character nach zum großen Theil in
Tagelohn auszuführen Waren, einen jungen Architecten zur Aushülfe zu
haben, da ich selbst mit anderen Dienstarbeiten
Rickmann, Domkirche, (III)
Rickmann, Domkirche, IV
schon überreichlich bedacht, haben haben sich die
Arbeiten durch 5 volle Jahre hingezogen.
Nach Lage der Sache ist meine Betheiligung an diesen
Restaurationsarbeiten nur mehr eine mechanische gewesen; dennoch
aber war ich bestrebt, diesen alten Bau in allen seinen Theilen,
insofern sie Architectur, Construction und Technik betreffen, nicht
minder auch seine Geschichte, nach Möglichkeit kennen zu lernen und
habe dies mit großer Lust und Liebe betrieben. Die hierbei gemachten
Bemerkungen, die daraus gezogenen Schlüsse und so gewonnenen
Ansichten wurden damals nur zu meiner eigenen Information, in kurzen
Notizen ohne weiteren Zusammenhang gesammelt, und nur bei
gelegentlicher Unterhaltung mit Persönlichkeiten, die ebenfalls ein
reges Interesse für dies alte Baudenkmal hatten, bei gelegentlicher
Debatte über schon lange schwebende Streitfragen, so wie über neu
auftauchende, zeigte es sich, daß mauche der veröffentlichten
Urteile über die Ratzeburger Domkirche auf Untersuchungen beruheten,
die der Grüudlichkeit entbehrten.
Wenn nun in Folge dessen mehrseitig und wiederholt der Wunsch
geäußert wurde, diese Notizen in einer kleinen Broschüre vereinigt,
durch den Druck veröffentlicht zu sehen, so habe ich mich doch
schwer entschließen könuen, das mir so gänzlich undekannte Feld der
Publizistik zu betreten, und nur der Gedanke, daß hierdurch über
mauche noch dunkle Fragen berufenere Kräfte angeregt werden könnten,
Aufklärung herbeizuführen, hat mich veranlaßt, mit diesem kleinen
Werkchen als Gelegenheitsschrift zur neuen feierlichen Einweihung
der Domkirche, öffentlich hervorzutreten. Für den geschichtlichen
Abschnitt habe ich vorwiegend "Masch, Geschichte des Bisthums
Ratzeburg", benutzt, und wenn auch der Wunsch rege war, dem Werkchen
MEHR bildliche Darstellungen beizufügen, so hat doch aus
verschiedenen Gründen hiervon abgesehen werden müssen.
Rickmann, Domkirche, IV
Rickmann, Domkirche, V
Den verehrten Leser bitte ich noch, mit dieser
kleinen Arbeit Nachsicht haben und berücksichtigen zu wollen, daß
dieselbe unter nichts weniger als günstigen Verhältnissen und unter
tausendfachen Störungen hat vollbracht werden müssen; ich bin aber
schon zufrieden, wenn sie sich auch nur als Wegweiser durch unsern
alten ehrwürdigen Dom brauchbar erweisen sollte.
|
SCHÖNBERG, den 2. Juni
1881. |
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Rickmann. |
Rickmann, Domkirche, V
Rickmann, unpaginiert

Eingebundene Abbildung.:
Blick ins Hauptschiff nach Osten
Rickmann, unpaginiert
Rickmann, Domkirche, Seite 43
[...]
III. ARCHITECTONISCHES.
Bedenkt man, daß das breite und flache Küstenland
zwischen Elbe und Oder bis zur Ausbreitung des Christenthums und dem
es begleitenden Vorschreiten der Kultur von dem verhältnismäßig noch
rohen Heidenvolke der Wenden bewohnt war, daß dieses zur Verehrung
seiner Götter wohl möglichst versteckte Dickichte in den Wäldern
aufsuchte, der Kirchen und Tempel aber nicht bedurfte, so kann es
nicht auffallen, daß größere Kirchenbauten, die vor dem 12.
Jahrhundert entstanden, in dieser Gegend fehlen. Erst mit und nach
dem Vordringen des Christenthums konnte der Boden zu solchen
Bauwerken geebnet werden, und da hier jedes anstehende Gebirge als
Sandstein, Granit etc. fehlte, so gelangte der Backstein als
Baumaterial entschieden zur Herrschaft.
Zu den Denkmälern vaterländischer Kunst aus dieser Zeitperiode
gehört unstreitig auch der Dom zu Ratzeburg, als eins der ältesten
und schönsten Bauwerke. Die Grundform der ersten Anlage unserer
Kirche war unschwer zu erkennen, soviel dieselbe auch durch spätere,
jetzt aber wieder entfernte Anbaue versteckt war. Den Stil derselben
wird man als den SPÄTROMANISCHEN zu bezeichnen haben. Das sogenannte
lateinische Kreuz mit dem hochgeführten Querschiff ist als
Grundrißmotiv unverkennbar und sowohl im Innern als Aeußern
möglichst stark ausgeprägt; aus der Basilikaform herübergenommen,
erscheint das Mittel- oder Hauptschiff mit den beiden
Seitenschiffen. Das Mittelschiff besteht zwischen der Thurmhalle und
dem Querschiff aus 3 Quadraten von 8,30 m. i. L., das Querschiff
ebenfalls aus 3 Quadraten derselben Weite, von denen das mittlere
die sogenannte Kreuzvierung bildet; über das Querschiff hinaus ist
dann noch ein Quadrat in der Achse des Mittelschiffes angelegt,
welches in einer halbkreisförmigen Schlußwand endet. Die
Seitenschiffe haben ungefähr die halbe Weite des Hauptschiffes, so
daß auf ein Quadrat des Hauptschiffes 2 Quadrate der Seitenschiffe
zutreffen, und erstrecken sich
Rickmann, Domkirche, Seite 43
Rickmann, Domkirche, Seite 44
diese ebenfalls von der Thurmhalle ab
bis zum Querschiff, welch letzteres somit vor die Außenwände der
Seitenschiffe hervortritt. Ueber das Querschiff hinaus liegen auf
jeder Seite des Mittelschiffes noch 2 Kapellen, vom Mittelschiff
durch geschlossene Wände getrennt, nach dem Querschiff aber offen.
Auf dem Westende ist die Thurmhalle vorgelegt, ebenfalls
dreischiffig mit sehr starken Pfeileranlagen, da ursprünglich vor
jedem Seitenschiff ein Thurm gebaut war. Diese Halle ist gegen die
Schiffe der Kirche, sowohl Hauptschiff als Seitenschiffe, offen, und
vor dieser Tlmrmhalle liegt auf der Südseite noch eine Kapelle,
durch welche der Haupteingang zur Kirche führt.
Das Mittelschiff zwischen Thurm und Vierung wird seitlich von
Arkadenreihen, auf jeder Seite 6 Pfeiler, eingeschlossen, die in
Höhe der Seitenschiffe mit Rundbögen über den Zwischenräumen die
hohe Wand tragen, welche bis zum Gewölbe des Mittelschiffes
aufsteigt. Die größte Höhe des Mittelschiffes beträgt 17,4
m. Die
Hauptpfeiler treten lisenenartig im Innern an der hohen Wand vor,
sind bis zur Höhe der Arkadenbögen an den Ecken im Rundstab
profilirt, von da ab aber rein viereckig, und
oben, wo die Gurtbögen aufsetzen, mit einem ganz einfachen, aus
Hohlkehl, Wulst und Platte bestehendem Gesimse versehen. Die Wölbung
des Mittelschiffes zeigt einen etwas gedrückten Spitzbogen, die
Kreuzkappen sind ohne Rippen auf den Grad zusammengewölbt und die
Gurtbögen so zwischen gelegt, daß sie UNTEN HERVORTRETEN, OBERWÄRTS
aber nicht die Höhe der Kappen erreichen; vielmehr DAZWISCHEN
EINFALLEN. Die Gewölbe der Seitenschiffe zeigen dagegen überall den
Rundbogen, und sind die Gurte, wenn auch hier unten hervortretend,
doch OBERHALB mit den Kappen gleich hoch. Auch diese Kreuzgewölbe
sind ohne Rippen auf den Grad geschlossen. So wie die Gewölbe des
Hauptschiffes sind die des Querschiffes, der Kreuzvierung und der
Thurmhalle construirt; der östliche runde Abschluß des Mittelschiffes zeigt ein Kugelsegment von
4,30 m. Radius. Die Gewölbe der
über dem Querschiff hinaus gelegenen beiden Capellen sind mit einem
spitzbogenförmigen Tonnengewölbe geschlossen.
Die südlich der Thurmhalle vorgelegte Capelle ist mit 4
Rickmann, Domkirche, Seite 44
Rickmann, Domkirche, Seite 45
Kreuzgewölben überspannt, die in ihrem
gegenseitigen Berührungspunkte durch eine reich profilirte Säule
getragen werden. Der Grundriß dieser Säule zeigt 4 Kreisbögen, die,
aus 4 verschiedenen Mittelpunkten construirt, sich unter stumpfen
Winkeln schneiden, und in jeder dadurch entstehenden flachen Vertiefung
eine schwache, zu 3/4 hervortretende Rundsäule, als Dienste
erscheinend, aufweist. Das Capitell der Säule, unten rund, geht nach
oben zu in das Quadrat über, so daß nach allen 4 Seiten ein Dreieck entsteht.
Auf dieser Säule ruhen nun zwar die 4 Gurtbögen; sonderbarer Weise
aber stehen diese Gurtbögen mit dem Gewölbe selbst in gar keiner
Verbindung, und erscheinen somit rein dekorativ. Bei der jetzt
beendeten Restauration fand sich nach Beseitigung des alten
schadhaften Deckenputzes, daß überall ein Raum von 1/2 bis
1 Zoll
zwischen Gurt und Gewölbe vorhanden war, den auch jetzt wieder der
neue Putz der Kappen verdeckt. Die Form des Gewölbes ist auch hier
ein etwas gedrückter Spitzbogen.
Daß nach dem ursprünglichen Bauplan der Dom auf der Westseite mit
2
Thürmen geschmückt werden sollte, ist aus der Anlage deutlich zu
ersehln; dieser Thurmbau ist auch zum Theil zur Ausführung
gekommen. Später aber ist man davon abgegangen und hat die beiden
einander zugekehrten Seiten dieser Thürme durch eine westliche und
eine östliche Wand zu EINEM Thurm vereinigt, so wie er noch
vorhanden.
Die Haupteingangsthüren, sowohl zu der südlich vorgelegten Capelle,
als auch von dieser zur Thurmhalle, sind im reinen Rundbogen überspannt, haben rechtwinklich einspringende Laibung, in den beiden
inneren Winkeln umlaufende Rundstäbe, die in den Ansatzpunkten der Bögen
kleine Capitelle in nach unten abgerundeter Würfelform
aufweisen. - Die Eingangsthür zur nördlichen Thurmhalle ist ganz so
angeordnet, wie die beiden ebengenannten. Außerdem führten in die
Kirche noch 3 weitere Eingänge. Der eine, im nördlichen Arm des Querschiffes, aus dem am Ende des 13. Jahrhunderts erbauten
Refectorium, ein anderer, auf der Nordseite, in das Seitenschiff aus
einem gewölbten, gegen den innern Hof durch eine offene Arkadenwand
abgeschlossenen Gang, zur Verbindung mit dem nördlichen Flügel des Refectoriums. Das Gewölbe
Rickmann, Domkirche, Seite 45
Rickmann, Domkirche, Seite 46
dieses Ganges ist eingestürzt, und die Thür zur
Kirche vermauert. Ein dritter Eingang führt von Süden her
unmittelbar in das Querschiff. Letztere drei Eingangsthüren zeigen
den Spitzbogeu, und wenn die Laibung der zuerst genannten ganz einfach
aus abgerundeten Steinen hergestellt ist, so ist dieselbe an den
beiden letzteren reicher gehalten und zeigt den später oft
auftretenden birnförmigen Stab.
Die alten Fenster der SEITENSCHIFFE zeigten nach außen einen
rechtwinklichen
[sic!] Einschnitt, und dann sowohl nach außen als nach innen eine schräg zulaufende Verjüngung ohne Rundstab. Sie
waren auf
gleiche Abstände von einander vertheilt, und alle bis auf EINS im Rundbogen geschlossen; das Fenster der Südseite, zunächst
der Querschiff, war jedoch im entschiedeuen Spitzbogen geschlossen.
Bei
der jetzigen Restauration, wo sämmtliche Fenster der Seitenschiffe von
neuem umgemauert werden mußten, ist auch das Fenster im Rundbogen geschlossen worden,
und haben sie sämmtlich den umlaufenden Rundstab
erhalten; zugleich wurden die Sohlbänke etwas tiefer gelegt, um mehr
Sicht für die Kirche zu gewinnen. 1)
Die Fenster des MITTELschiffes, sowie auch des Querschiffes sind
mehr paarweise zusammengelegt, und zieht sich auf diesem schmalen
Zwischenpfeiler an der äußern Wandfläche eine Lisene hinauf, die
oben unter dem Dachgesims einen, aus sich durchschneidenden Rundbogen
bestehenden, Fries aufnehmen. Derselbe Fries findet sich auch unter
dem Dachgesims der Seitenschiffe; nicht minder läuft derselbe an den
dreieckigen Giebel des Querschiffes hinauf, und auch in der Höhe des
Dachgesimses querdurch. Das Querschiff hat nur Fenster in der
Höhe des Hauptschiffes mit derselben paarweisen Vertheilung, desgl.
die Verlängerung des Mittelschiffes über das Querschiff hinaus. Der
östliche halbkreisförmige Abschluß zeigt 3 Fenster, von denen das
mittlere etwas größer ist nnd höher liegt.
____________________
1) Auch im Innern findet sich ein Spitzbogen über der ersten
Arkadenöffnung neben der Thurmhalle nach dem südlichen Seitenschiff;
allein hier findet diese Abweichung dahin Erklärung, daß diese
Öffnung zwischen den Pfeilern, vielleicht durch ein Versehen
schmaler angelegt war, als die übrigen, und durch dieses Mittel die
gleiche Bogenhöhe erreicht werden sollen. Beide Spitzbogen liegen in entschieden altem, ursprünglichen Mauerwerk.
Rickmann, Domkirche, Seite 46
Rickmann, Domkirche, Seite 47
Die Seiten-Capellen hier haben jede nur EIN Fenster in der Ostwand, etwas größer als die der Seitenschiffe.
1)
In der Thurmhalle befand sich, dem Mittelschiff gegenüber, ein sehr großes
Fenster, im Spitzbogen gehalten, das aber wohl in späterer
Zeit eingesetzt worden. Durch die Errichtung einer Orgelempore in
diesem Teile der Thurmhalle hat dies Fenster größtentheits
zugemauert werden müssen; nur unterhalb der Empore sind dafür 4
kleinere Fenster durchgebrochen worden. Auch den Seitenschiffen
gegenüber waren alte, ganz kleine Fenster vorhanden; dieselben mußten
aber, nach Zumauerung des großen Mittelfensters, bis zur Größe der
neuen Seitenschifffenster erweitert werden, weil es in diesem Theile
der Kirche zu sehr an Licht gebrach.
Die südliche Eingangscapelle hat paarweise angelegte Fenster, im
Uebrigen wie die der Seitenschiffe konstruirt; an der Ostseite,
zunächst der Thurmhalle, aber ein einzelnes kleines Fenster in der
hier durch Ausscharung erreichten kreisförmigen Nische, wo in alter
Zeit vielleicht ein Altar, - oder noch früher - wahrscheintich der
Taufstein aufgestellt war. Der nach Süden gekehrte dreieckige Giebel
dieser Eingangscapelle ist reicher verziert. Vom
Gurtgesims, dem bekannten Bogenfries, steigen 9 halbrunde
Lisenen auf,
von denen die 3 äußeren jederseits in den schräg aufsteigenden
Bogenfries verlaufen, die 3 mittleren dagegen auf eine
Kreisrosette
treffen, über welcher noch ein kleines Kreuz erscheint. Die
Wandflächn zwischen den Lisenen sind in aufwärts laufenden
Zickzackstreifen verblendet.
Die beiden nach Nord und Süd gekehrten Außenwände der ursprünglichen
Thurmanlagen sind nur bis zur Höhe des Hauptschiffes hinaufgeführt
worden, und schließen hier beiderseits mit einem Pultdach gegen den
Thurm ab und haben Steinbedachung. Der Thurm selbst, (ca. 46,00
Meter hoch) hat ein sehr steiles Satteldach; mit wenig einfallendem
Walmen, und ist theils mit Kupfer, theils mit Schiefer gedeckt. Das
Dach des hohen Schiffes, durchweg mit Schiefer gedeckt, trägt einen
schlanken Dachreiter aus
____________________
1) Diese Fenster fanden sich bei einer vorzunehmenden Reparatur im
Jahre 1848 schon im Spitzbogen ausgeführt vor, und
wurden damals nur mit neuen Rippen versehen; jetzt aber sind sie im Rundbogen
geschlossen worden.
Rickmann, Domkirche, Seite 47
Rickmann, Domkirche, Seite 48
späterer Zeit mit Kupferdeckung, der aber nicht
über der Vierung, sondern über dem nächsten nach Westen gelegenen
Gewölbejoche sich erhebt. In ihm befindet sich die Uhr, und hängen
hier die ältesten Glocken, von denen die eine die Jahreszahl 1411
trägt. Die Dächer der Seitenschiffe (Pultdächer) sind mit
gußeisernen Facettplatten eingedeckt. Die südliche Eingangscapelle hat
ein Pfannendach.
Das Material, aus welchem der Dom erbaut worden, besteht aus einem
schönen festen gelblichen Backstein. Sämmtliches Mauerwerk, soweit es
untersucht werden konnte, besteht durchweg aus demselben Material;
mit Kalk und Steinbrocken im hohlen Innern ausgefüllte Mauern haben
sich nirgends gefunden. Der zum ältesten Mauerwerk verwendete
Kalkmörtel hat eine hellgraue, fast weiße Farbe und ist von solcher Festigkeit, daß größere Mauerstücke beim
Zertrümmern sich nicht in
den Fugen lösten, vielmehr die Brüche immer durch die Steine gingen.
Es war daher eine sehr mühsame und zeitraubende Arbeit,
Fensteröffnungen zu vergrößern, oder im alten Mauerwerk Verzahnungen
für neu Anzufügendes einzustemmen.
Die ältesten zur Verwendung gekommenen Formsteine sind vielfach mit dem Meißel nachgearbeitet, sie zeigen
deutlich die feinen Riffel
und haben ganz das Ansehen von, wie die Steinmetze es jetzt nennen,
GESTOCKTER Arbeit; später angewendete dagegen zeigen diese Riffel
nicht, haben auch in der Regel eine mehr ins rothbraune übergehende
Farbe, besitzen etwas weniger Festigkeit und zeigen die Bruchstellen ein wesentlich anderes Gefüge. In solchen Mauertheilen
findet man auch
einen andern Mörtel, mehr graublau, oft kleine Kohlenpartikelchen enthaltend, woraus man schließen möchte, der
Kalk wäre mit Holzasche
vermischt worden. Letzteres findet sich namentlich bei Bauteilen, die
aus dem 14. und 15. Jahrhundert stammen mögen, während bei noch
späteren wieder der Mörtel mit reinem Sandzusatz erscheint.
Kam Evermodus nun auch schon 1154 in sein
[sic!] Bisthum an, und war es
bestimmt, daß auf der Insel hinter dem Schlosse Ratzeburg (es lag
auf der schmalen Erdzunge zwischen der jetzigen Stadt und dem St,
Georg) die Domkirche erbaut werden sollte,
Rickmann, Domkirche, Seite 48
Rickmann, Domkirche, Seite 49
so verging gewiß doch noch eine Reihe von Jahren,
bevor mit dem Bau wirklich begonnen werden konnte. Fanden sich unter
den Begleitern des Bischofs auch Männer, die den Bauplan entwerfen
und feststellen, auch den Bau selbst zu leiten vermochten, wie
solches aus damaliger Zeit mehrfach nachweisbar, so mußte doch vor
Allem für Baumaterial Sorge getragen werden; es mußten Ziegeleien
und Kalkbrennereien errichtet und zum Betriebe dieser die nöthigen
Arbeitskräfte gesucht und herangezogen werden, wenn auch das
Rohmaterial in der Nähe vorhanden war. Daß auch die ersten
Werkleute zur Ausführung des Baues von auswärts kamen, erscheint
dadurch als wahrscheinlich, daß in den ersten Anfängen des Baues die
profilirten Steine und selbst die Steine, womit die rechtwinkligen
Einschnitte gemauert wurden, mit dem Meißel bearbeitet sind; die
Arbeiter also auf Verwendung von Bausteinen mehr geübt waren. Es
dürfte deshalb nicht zu viel gesagt sein, wenn für die Zeit vom
Beginn bis zur ersten Fertigstellung des Baues ein Zeitraum von
50-60 Jahren als erforderlich angenommen wird.
Ob aber der Bau in seiner ganzen Ausdehnung, mit Thurmanlagen, den
3 Schiffen, dem Kreuz und dem östlich davon liegenden Abschluß, (mag
es auch im Plane gelegen haben), ohne Unterbrechung gleichzeitig zur
Vollendung kam, dürfte doch fraglich sein. Was dann ferner die
hiermit in Verbindung gebrachte Gleichzeitigkeit der Gewölbe und die
Erhöhung des Mittelschiffes betrifft, so möchte dies wohl bestritten werden
können, so bestimmt auch dem entgegenstehende Behauptungen
aufgestellt worden sind.
Architect J. F. Lauenburg äußert sich hierüber in Masch, Geschichte
des Bisthums Ratzeburg S. 749 so: - "die Sage, daß die Gewölbe des
Hauptschiffes erneuert worden (Masch, das. S. 382) schien durch die
nach dem Spitzbogen geformten Gurtbögen der Gewölbe bestätigt zu
werden, allein eine genauere Untersuchung gab andere Resultate. -
Alle Beweise weiter auszuführen, wäre hier nicht am Platze; es
leidet aber keinen Zweifel, daß die jetzt vorhandenen Gewölbe gleichzeitig
mit der Kirche aufgeführt sind, an eine Erweiterung derselben also
nicht zu glauben ist." Es ist
Rickmann, Domkirche, Seite 49
Rickmann, Domkirche, Seite 50
schade, daß für diese Behauptung aber auch gar
keine Beweise erbracht sind, nicht einmal ein Versuch dazu gemacht
worden.
Lisch dagegen (in den Mecklenburg. Jahrbüchern XI. S. 420) sagt, "daß
die jetzt vorhandenen Gewölbe gleichtzeitig mit der Kirche aufgeführt
seien, sei unglaublich, ja unmöglich, das lehre schon der erste
Anblick. Alle Spitzgewölbe sind so unregelmäßig und leichtfertig
angesetzt, daß sie unmöglich nach dem Grundplan des Baumeisters
haben ausgeführt werden können, wenn man noch zur Zeit des
Rundbogenstiles eine Wölbung im Spitzbogen annehmen wolle, wie auch
wohl behauptet sei. - Ein solcher Zwiespalt und eine solche
Unsauberkeit, wie sie die Hauptgewölbe des Ratzeburger Domes
zeigen, sind aber in der Geschichte der Baukunst unerhört, und es
ist wenigstens das außer Zweifel, daß zur Zeit des Rundbogenstiles die
Rundbogengewölbe mit Rücksicht auf die Höhenverhältnisse und die
Lage und Größe der Fenster sehr sauber und sorgfältig angesetzt sind,
was im Ratzeburger Dom doch auch nicht der Fall sei.
Betrachtet man nun den Dom mit specieller Rücksicht auf diese
Gewölbefrage genauer, so ergiebt sich zunächst, wie auch schon angeführt worden, daß die Ecken der lisenenartig in der oberen Wand
des Hauptschiffes vorliegenden Verstärkungen der Hauptpfeiler nur bis
zur Bogenhöhe der Arkardenöffnungen im Rundstab gebrochen sind, von
da weiter nach oben findet solches nicht statt. Dieser doch
anscheinend ganz unmotivirt UNTERBROCHENE Rundstab, findet sich aber
nur zwischen der Thurmhalle und dem Querschiff; die die Kreuzvierung
flankierenden vier Pfeiler haben diesen Rundstab zwar auch, allein
hier läuft derselbe ununterbrochen vom Sockel bis zum kleinen Gesimsgliede zwischen Pfeiler und Gurtbogen hinauf. - Daß und wie
die Construction der Gewölbe des Mittelschiffes, ganz abgesehen
davon, daß sie den Spitzbogen zeigen, von der der Seitenschiffe, die
wohl als die ältesten im Gebäude anerkannt werden müssen, abweicht,
ist schon gesagt worden, berücksichtigt man auch, daß die Stärke der
hohen Wände im Mittelschiff oberhalb der Arkadenbögen ein wenig
schwächer ist als unterhalb dieser Linie, so kann man doch wohl
nicht so ganz und ohne Weiteres die Ansicht verwerflich finden, daß
das Mittelschiff in der
Rickmann, Domkirche, Seite 50
Rickmann, Domkirche, Seite 51
ersten Zeit, zu welcher die Kirche zum
Gottesdienst in Gebrauch genommen wurde, niedriger war und
vielleicht wahrscheinlich mit einer Balkendecke, wenn auch nur für
einen kürzeren Zeitraum geschlossen war. Es können sehr wohl
Ursachen aufgetreten sein, die hierzu Veranlassung gaben, und da wir
romanische Kirchen haben in denen die Balkendecke, selbst bis jetzt,
erhalten wurde, während die Seitenschiffe Gewölbe haben, so liegt
wenigstens die Möglichkeit sehr nahe, daß auch die Decke des
Mittelschiffes im Dom in allererster Zeit aus Holz bestand, um so
mehr, da Angaben darüber vorhanden sind, daß zu Anfang des 16.
Jahrhunderts unter Bischof Johannes von Parkentin 1) diese Erhöhung
des Mittelschiffes geschehen sein soll.
Aehnliches dürfte sich auch gegen die Ursprünglichkeit des Gewölbes
über der südlichen Eingangskapelle geltend machen lassen, da hier
die Constructionsweise nicht nur von der der Seitenkapellen, sondern
auch des Hauptschiffes so wesentlich abweicht, und der Beweis, daß
die Gewölbe der Seitenkapellen neben dem Hochaltar aus späterer
Zeit stammen, möchte daraus hervorgehen, daß diese beiden Capellen in
der Zeit, zwischen der ersten Erbauung und der jüngst vergangenen,
in sofern eine andere Grundform hatten, als die Ostwand in einem
Halbkreis herumgeführt war. Diese früher einmal vorhandene
Andersgestaltung der östlichen Abschlüsse ist wohl zum ersten Male
bei der jetzt beendeten Restauration des Domes entdeckt worden, und
daß diese Form NICHT die ursprüngliche gewesen, geht daraus hervor,
daß zur Einbindung dieser kreisförmigen Mauer in die Wände des
Mittelschiffes große Verzahnungen eingeschlagen waren, die auf der
südlichen Seite noch deutlich erkennbar, während bei einem
gleichzeitigen Bau beider Wände eine solche mangelhafte Verbindung
undenkbar erscheinen muß.
Im alten ursprünglichen Bau sind demnach VIER verschiedenartige
Gewölbe-Konstructionsweisen sehr deutlich unterscheidbar, und wenn
auch die alten romanischen Baumeister eine Bewunderung hervorrufende
Gewandtheit besaßen, dem Detail verschiedene Formen zu geben, so haben sie diese
Kunst doch wohl weniger auf die Con-
____________________
1) MASCH S. 382.
Rickmann, Domkirche, Seite 51
Rickmann, Domkirche, Seite 52
structionsweise so wichtiger Bautheile, als die
Gewölbe jedenfalls sind, ausgedehnt; diese Kunst dürfte erst in den
herrlichen Spiegelgewölben des späteren Spitzbogenstiles zu suchen
sein.
Der erste ANBAU der Domkirche ist das Refectorium, dessen Bau im
Jahre 1259 unter Bischof Ulrich begonnen wurde. Dasselbe erstreckt sich vom nördlichen
Kreuzarm ab in der Richtung nach Norben auf 46 m
Länge bei einer Tiefe von 15,5 m. Dann springt es im rechten Winkel nach Westen um in
Länge von 30 m und 16,3
m Tiefe, worauf es weiter
in nord-südlicher Richtung sich durch den schon erwähnten, früher
gewölbten Gang der Kirche wieder anschließt. Dieser Gang hat eine
Breite von 6 m. Im Refectorium herrscht im Allgemeinen schon der Spitzbogen vor, wenngleich noch einige Rundbögen vorkommen. Durch
spätere vielfache Durchbauten, nach den jeweiligen Bedürfnissen ausgeführt, ist der ursprüngliche
Charakter hier sehr verwischt worden.
Ende des 14. Jahrhunderts erbaute Herzog Erich von Sachsen an der
südlichen Langseite der Domkirche eine Kapelle, und dies wird
diejenige sein, die noch vorhanden und auch bei der jetzigen
Restauration geblieben ist. Erich starb aber schon, bevor er die
Dotation der Vicarie dieser Capelle bestimmt hatte. Dies wurde durch seinen Sohn
Erich 1380 nachgeholt. Nach der noch erhaltenen Inschrift
ist 1637 in dieser Capelle wohl erst die Empore (bisher die einzige
im Dom) eingebaut und die dem Seitenschiffe zugekehrte Brüstung,
im späteren Renaissancestil, errichtet worden. Diese Capelle, im
Lichten 9 m lang und 3,70 m tief, hat an der
südlichen Facade 2
Giebel, ist mit 2 Kreuzgewölben überspannt und zeigt, außer den
beiden Rundbögen in der Kirchenwand, überall den Spitzbogen. Die
jetzige Renovation derselben im Innern ist auf allerhöchste Ordre Sr.
Majestät des Kaisers vom 5. Februar 1881 durch den Baurath
Lohmeyer
zu St. Georgsberg ausgeführt worden.
Um die Zeit zu Anfang des 15. Jahrhunderts mehrten sich aber die
Stiftungen der Vicarien so, daß im Innern der Kirche es sehr bald an
Platz gebrach. Um diesen zu gewinnen, durchbrach man die Außenwände
der Seitenschiffe, und errichtete zu beiden Seiten der Kirche ganze
Kapellenreihen, die sich von den Thurmhallen bis
Rickmann, Domkirche, Seite 52
Rickmann, Domkirche, Seite 53
zum Querschiff hinzogen. Die meisten derselben
hatten eine Breite von beiläufig 3 m; wobei aber die Kirchenwand,
durch Abbruch auf der Außenseite, schon erheblich in den stehen
gebliebenen Pfeilern geschwächt ward. Der schwierigen Abwässerung
wegen hatten diese Capellen keinen Giebel mit Satteldächern, wie die
Capelle des Herzog Erich, sondern man hatte die äußere Wand nur circa
5 m hoch aufgeführt und ein breites Pultdach über Capelle und
Seitenschiff wegreicheud angebracht, zugleich aber anch, da die
Dächer noch zu flach lagen, die unteren Panneaux der Fenster der hohen Wand des Mittelschiffes vermauert. Um dennoch das
Licht nicht
allzusehr abzusperren, da die Fenster nur sehr niedrig angelegt
werden konnten, so machte man sie möglichst breit und theilte sie
durch 2 oder 3 schwache Rippen in 3 oder
4 Lichtöffnungen, oben
waren sie in flachen Kreisbogen überwölbt, an den sich die Rippen, in
kleine Spitzbögen paarweise zusammengezogen, anschlossen. Auf der
Südseite wurden diese Fenster Mitte der Zwanziger Jahre unsers
Jahrhunderts durch gußeiserne ersetzt. - Durch die jetzt beendete
Restauration sind diese Capellen ganz entfernt und die Außenwände
der Seitenschiffe in ihrer ursprünglichen Form wieder hergestellt worden.
Es ist auch die Frage aufgeworfen worden, ob der untere Chor
ursprünglich diejenige Höhe gehabt, die er jetzt hat? Diese Frage
ist wohl zu verneinen. Wahrscheinlich hat sich der untere Chor ursprünglich nur wenige Stufen über
den Fußboden der Kirche
erhoben; der hohe Chor dagegen war wohl immer so hoch wie er jetzt
liegt. -
Zu Anfang des 16. Jahrhunderts gestattete das Capitel dem
Herzog Johann von Sachsen-Lauenburg, 1) seinen Sohn Rudolph im Chor zu
begraben und es kann hier wohl nur der untere Chor verstanden
werden; darauf aber bestattete Herzog Magnus seinen Vater Johann nach dessen Tode
1507 ebenfalls dort, und später, 1519 auch
noch seine Mutter, und ließ zugleich das Grabmal so hoch im Chor
aufführen, daß dadurch Unbequemlichkeiten beim Gottesdienst
hervorgerufen wurden. Ein hierüber erstandener
____________________
1) MASCH G. d. B. S. 437.
Rickmann, Domkirche, Seite 53
Rickmann, Domkirche, Seite 54
Streit scheint dahin geschlichtet zu sein, daß der
ganze untere Chor so hoch als das Grabmal erhöht und um dies erste
Grabmal an dieser Stelle herum Gruftgewölbe für die sächsischen
Herzogsfamilien angelegt wurden. Bisher hatten die letzteren zwei
Grabcapellen, die Lauenburgische auf der Südseite, die Bergedorfer
auf der Nordseite; letztere ist jetzt abgebrochen. - Die wenigen
Stufen, um welche der untere Chor sich früher über dem Fußboden der
Kirche erhob, lagen vielleicht nach Westen gekehrt, möglich auch, daß
dieselben daneben noch auf der Süd- und Nordseite angebracht waren.
Bei dieser erheblichen Verlegung des Chors, wodurch die
Pfeilersockel auf der dem Mittelschiff zugekehrten Seite ganz
verschüttet und vermauert, auch das Querschiff in eben nicht schöner
Weise durchschnitten ward, ging der Aufstieg von Westen her
verloren und es wurden dafür im Querschiff von Norden und Süden her
zwei recht mangelhaft gearbeitete schmale Treppen aus Backsteinen angelegt. Gegen das
Herabstürzen von diesem erhöhten Chor ward
dasselbe mit einem, von schmiedeeisernen rautenförmig durcheinander gesteckten Stäben
hergestellten, Gitter umzogen. Bei der vorgewesenen
Restauration mußte, der Gruftgewölbe wegen, von der Wiederherstellung
dieses unteren Chores in seiner ursprünglichen Gestalt abgesehen
werden, es behielt seine Höhe, bekam aber vier Aufgangstreppen,
zwei an der Stelle der alten und zwei auf der Westseite, alle aus
schwedischem Granit. Eine eigentliche Gruftkirche (Krypta) hat die
Domkirche nie gehabt. Das alte eiserne Gitter kam, in seiner Höhe
bedeutend abgemindert, auf der Süd- und Nordseite als Aufsatz auf einen
massiven Unterbau, der in der Außenfläche durch kleine
Pilaster ornamentirt ist, zur Wiederbenutzung, gegen Westen dagegen
ist eine durchbrochene Ballustrade, aus kleinen Säulen mit Rundbögen
von gebranntem Thon errichtet worden.
Wenn vorhin die Möglichkeit angedeutet wurde, daß die Domkirche
schon vor ihrer planmäßig VOLLSTÄNDIGEN FERTIGSTELLUNG theilweise
zur Abhaltung des Gottesdienstes hergerichtet gewesen sein könne, so
soll zwar hierfür keinerlei Beweis geführt werden; nur einige
Andeutungen mögen gemacht werden, die eine solche Annahme in maucher
Beziehung berechtigt erscheinen lassen. Wäre eine solche theilweise
Benutzung beim Ratzeburger Dom der
Rickmann, Domkirche, Seite 54
Rickmann, Domkirche, Seite 55
Fall gewesen, so würde solcher nicht allein
dastehen, da es ja beim Dom zu Köln ganz bestimmt der Fall war. Zur
Zeit der Erbauung des Domes war die Bevölkerung eine sehr schwache
und wenig wohlhabende im Bisthum, und konnte diese daher nur wenig
beisteuern. Heinrich der Löwe hatte freilich eine jährliche
Beihülfe von 100 Mark Pf. zugesagt (ungefähr 1500 Mark jetzigen Geldes, welche
Summe noch mit 8 zu multipliciren ist, wenn wir uns ihren
Jetzt-Werth vergegenwärtigen wollen), aber es ist sehr fraglich, ob
damit der Bau bis 1180 vollendet wurde. Dagegen ist es höchst
wahrscheinlich, daß, wenn der Dom nicht bis zum Jahre 1180 hat
fertig gestellt werden können, sein Bau sicher längere Zeit hindurch
liegen geblieben ist, denn erstens kamen durch die Aechtung
Heinrichs des Löwen dessen Subsidien natürlich in Wegfall, und dann
wissen wir auch, wie feindlich der neue Herzog Bernhard dem Bischof
Isfridus, dem Freunde Heinrich des Löwen gesinnt war und sicherlich
kein Geld für den Weiterbau hergegeben hat. Die später über
Bernhard hereinbrechenden Unglücksfälle und seine Vertreibung durch die
Dänen lassen annehmen, daß unter diesen wechselnden Verhältnissen
die junge Pflanzung in Ratzeburg nicht gedeihen konnte, und der Bau
also bis zur Rückkehr friedlicher Zeiten (1226) entweder gar
keine
oder nur wenige Fortschritte gemacht haben kann. - Untersucht man
ferner noch die MAURERARBEIT im Innern des Domes genauer, so muß man
zu der Entdeckung kommen, daß sie nicht gleichmäßig ausgeführt
worden. An Stellen ist sie peinlich sauber, an anderen dagegen
ziemlich oberflächlich und unordentlich; die erstere Arbeit findet
sich vorwiegend von der Thurmhalle ab über 2 Joche des
Hauptschiffes,
und dann wieder in der Kreuzvierung und dem oberhalb derselben
gelegenen Joche mit der Concha. An dem Zwischenliegenden
fehlt die erkennbare Benutzung des Meißels, und die Ausführung ist abweichend von der übrigen.
Daß um die Zeit der Gründung des Domes die Festigung der
christlichen Religion bei den früher heidnisch gewesenen Bewohneru des
Bisthums noch ziemlich locker sein mag, ist wohl denkbar,
und aus diesem Grunde mußte den Erbauern des Doms daran gelegen
sein, baldmöglichst eine Kirche, einen Sammelpunkt für die bekehrten
und vielleicht selbst noch für die zu belehrenden
Rickmann, Domkirche, Seite 55
Rickmann, Domkirche, Seite 56
Heiden zu haben. Daher mag die Vermutung nicht zu
gewagt erscheinen, daß ein Theil des ganzen Baues provisorisch für
Abhaltung des Gottesdienstes eingerichtet ward, während der übrige
Theil successive seiner Vollendung entgegengeführt wurde. Dies
angenommen, würde der zuerst in Gebrauch genommene Theil des Domes,
wahrscheinlich der gewesen sein, der westwärts vom Querschiff
liegt. Dann aber liegt es auch schon näher, daß in diesem Theil das
Mittelschiff noch nicht hoch geführt war und zugleich in der Höhe der
Seitenschiffe eine vorläufige Balkendecke hatte. Gegen Osten wird
allerdings dieser Raum in einer provisorischen Wand seinen
Abschluß gehabt haben, die nach der Vollendung des Ganzen wieder
weggenommen wurde.
Während der jetzt beendeten Restauration des Domes ist auch die
sämmtliche Tünche im Innern entfernt und hat sich hierbei herausgestellt, daß der Dom wie außen, so auch
im Innern reiner
Rohbau gewesen und daß keine Spur von Malerei zur Anwendung
gekommen. Erst in späterer Zeit ist die Kalktünche aufgesetzt, die
sich in vielfachen Lagen übereinander erkennen ließ, und erst hiermit
erscheinen die Zickzacke an den Gewölbegraten, die gewundenen
Bandstreifen an den halbrunden Ecken der Pfeiler und die übrige
Bemalung der Wandflächen. Aeltere Malerei, unmittelbar auf dem Putz,
hat sich nur an den Gewölbedecken sowohl der abgebrochenen, als auch
der mehrfach erwähnten, gebliebenen Lauenburgischen Kapelle der
südlichen Langseite gefunden, bestehend in einer Rosette im
Treffpunkte der vier Grate und in einfacher, die Grate begleitenden
farbigen Linie, aus welcher rankenartig mit Knöpfen besetzte
Bischofsstäbe sich abzweigen. Auf der Nordseite wurde in einer
Kapelle unter der Kalktünche eine Wandmalerei auf dem Putz entdeckt,
die jedoch schon so zerstört war, daß nur noch farbenreiche
Gewandungen von menschlichen Figuren sich erkennen ließen.
Da es unmöglich war, die Kalktünche so rein von dem Mauerwerk zu
entfernen, daß auch die Poren und kleinen Unnebenheiten der Steine
hiervon befreit und rein gelegt und das Ansehen des alten
Rohbaumauerwerks im Innern wieder hergestellt werden konnte, so
wurde ein leichter Ueberstrich im Farbenton der
Rickmann, Domkirche, Seite 56
Rickmann, Domkirche, Seite 57
alten Steine aufgetragen und die Fugen aufgesetzt,
die Rundstäbe auf den Ecken der Pfeiler und die Sockel derselben aber
in einem rötlicheren Ton gehalten. Die Ansichten der
Gewölbegurtbögen sind hierbei reicher in Farben ornamentirt worden und
haben die Grate in den Kappen leichte mitlaufende Conturen bekommen.
Die Tonnengewölbe in den Nebencapellen am hohen Chor sind
gitterartig in Farben gemustert und ebenso die breiten Gurte
zwischen den Thurmanlagen. Die halbkreisförmige Wand in der Apsis ist in Teppichmuster gehalten. Die alten, unter der abgekratzten Tünche wieder
zum Vorschein gekommenen Consecrationskreuze wurden in
den alten Farben aufgefrischt. Eine etwas abweichende Behandlung
hat die südliche Eingangscapelle erfahren. Da sich hier, namentlich
in der Mittelsäule grünglasirte Steine vorfanden, ist bei der
Decoration dieses Raumes die grüne Farbe mehr zur Geltung gelangt,
und wo die alten grünglasirten Steine nicht mehr vorhanden waren,
ist diese Glasur durch Farbe ersetzt worden.
Sämmtliche Malereien sind nach Angabe des Bauraths Daniel von dem
Maler Rieckhoff in Ratzeburg ausgeführt worden.
Glasmalereien
oder auch nur die Anwendung von farbigem Glase aus alter Zeit fanden
sich nirgends; die sämmtlichen Fenster sind neu eingesetzt. Die
3 in
der Apsis und die beiden in den anliegenden Capellen sind von
Oitmann in Linnig geliefert, die übrigen haben nur einen umlaufenden
Fries aus mattem und farbigem Glase erhalten, und sind hier
gefertigt vom Glaser Fermor.
Gegenstände der Kunsttischlerei aus alter Zeit haben sich mehrere
erhalten. Hierher sind vor allen zu zählen die Reste der Chorstühle,
im romanischen Stil herrlich geschnitzt; sie waren quer durchgesägt und
dienten so als Füße zu den Sitzbänken. Jetzt sind sie von Gebrüder
Reinhold-Schwerin sehr sauber wieder zusammengesetzt, die fehlenden
neu zugefertigt und in der Kreuzvierung aufgestellt. Diese alten Stuhlreste sind vielfach beschrieben und abgebildet (Lenoir,
Gailhabaud, Riggenbach etc.) Dann der alte Chorstuhl im gothischen
Stil, auf der einen Seite die Wurzel Jesse und Weinlaub, auf der
andern einen Bischof mit den Wurzeln eines Eichbaums darstellend.
Dieser Stuhl steht auf der
Rickmann, Domkirche, Seite 57
Rickmann, Domkirche, Seite 58
Südseite im hohen Chor; auf der Nordseite ein
ähnlicher aus spätgothischer Zeit, welch letztere durch die daran
befindlichen Wappen des Bisthums und des Bischofs Johannes Proel
(1440 bis 1454) bestimmt wird.
Wie in vielen romanischen Kirchen findet sich auch im Dom auf einem
Querbalken über dem westlichen Aufgang zum unteren Chor das bekannte
Crucifix, hier wohl von hohem Alter; es ist aus Lindenholz
geschnitzt, und wenn es auch so mürbe war, daß es nur mit.der
größten Vorsicht bei der Renovation behandelt werden konnte, so ist
doch wohl nicht anzunehmen, daß es so alt sei als der Dom selbft.
Neben dem Crucifix stehen noch die Figuren Maria und Johannes, die
sich anderwärts auch noch findenden beiden Engelsfiguren fehlen hier,
obgleich man der Raumvertheilung nach annehmen kann, daß sie auch hier früher vorhanden waren. Die Farben, mit welchen
dieses Bildwerk bemalt ist, sind mit der größten Sorgfalt aufgetragen, welche bei
roth und gelb mit Gold, bei grün mit Silber unterlegt sind, um den
Glanz derselben zu erhöhen.
Die Kanzel aus Fichtenholz [korrekt wäre die
Angabe:
Eichenholz] ist 1576 im Renaissancestil zur Zeit des ersten
lutherischen Predigers Georgius Uslerus erbaut, und zeigt an der
Rückwand (der Kanzel) das Bildniß desselben. Am Schalldeckel finden
sich die Namen der damaligen Mitglieder des Domcapitels. -
Die aus 1648 herrührenden Capitelstühle auf dem
unteren Chor sind
bei der gewesenen Restauration als störend und keinerlei Kunstwerth enthaltend, beseitigt worden und durch neue ersetzt; die
sehr gut
geschnitzten Wappen daran sind aber von den alten auf die neuen
Stühle übertragen und wieder angebracht worden.
Schon sehr früh, 1282, wird der Orgel in der Kirche gedacht; aber es
ist natürlich nicht diejenige, welche jetzt abgebrochen und durch
ein ganz neues Werk von bedeutendem Stimmenumfange und mit den
neuesten Verbesserungen versehen, ersetzt worden. Die vorige Orgel
hatte ihren Platz auf einem an der Nordseite des Mittelschiffes
angebrachten Balken in der Thurmhalle; für die neue ist in derselben
Halle eine Empore eingebaut worden, welche die ganze Halle
einnimmt. Das Orgelwerk selbst, ein Geschenk
Rickmann, Domkirche, Seite 58
Rickmann, Domkirche, Seite 59
Sr. Königl. Hoheit des Großherzogs Friedrich
Wilhelm von Mecklenburg-Strelitz, ist von dem Orgelbauer Mehmel in
Stralsund geliefert und aufgestellt worden.
Die Gestühle im Kirchenraum, einfach aus Kiefernholz gearbeitet und
nur gefirnißt, sind von einheimischen Tischlern gefertigt.
IV. MONUMENTALES.
Die Veränderungen, die mit Ende des 16. Jahrhunderts
und im 17. im Innern der Domkirche bei Uebergang des bis dahin
katholischen Ritus in den evangelisch-lutherischen vorgenommen
wurden, und was seitdem zur Verschönerung in derselben geschah,
haben fast keine Spur des katholischen Gottesdienstes
zurückgelassen. Alle den verschiedenen Heiligen geweiheten Altäre
sind verschwunden, kein Sakramenthäuschen, kein Weihkessel ist mehr
vorhanden. Einige Altar-Schreine und Aufsätze finden sich zwar noch,
die ersteren von ihrer früheren Stelle an irgend einer flachen Wand
aufgehängt; von letzteren EINER, SEHR REICH GESCHNITZT AUS
SPÄTGOTISCHER ZEIT, DER ES WOHL VERDIENTE RESTAURIRT ZU WERDEN, und
dessen Bruchstücke nebst Figuren in einem Raum des früheren
Refectoriums niedergelegt sind.
Außer den, schon in der architektonischen Abtheilung erwähnten
alten Gestühlen, befindet sich an der Nordwand im hohen Chor ein
Schrank, der sog. Apostelschrank, welcher im Innern zum Bodenstück
einen Stein enthält, auf welchem in Hochrelief die Leidensgeschichte
dargestellt ist; das Ganze ist aus einem Stück gearbeitet, und von
hohem Alter und großem Werth - möglichenfalls hat dies Relief früher
einem Altaraufsatze angehört. Der Schrank, schon 1634 als alt
bezeichnet, wurde damals vom Domdechenten Hartwich von Bülow auf
Pokrent renovirt; derselbe ließ das Innere wieder durch die Figuren
des Heilands und der 12 Apostel aus getriebenem Silber
schmücken,
da die alten 1552 bei der Invasion Volrad v. Mansfeld's geraubt
worden waren.
Die von H. v. Bülow geschenkten Silberfiguren wurden jedoch in der
Nacht vom 24. auf den 25. Januar 1880 wiederum
Rickmann, Domkirche, Seite 59
Rickmann, Domkirche, Seite 60
gestohlen, die Christusfigur aber glücklicher
Weise dadurch gerettet, daß sie außerhalb des zerstörten
Kirchenfensters den eilenden Dieben entfiel und in den tiefen Schnee
versank, wo sie wiedergefunden wurde.
Der Taufstein, in Kelchform gestaltet und aus Glockenmetall gegossen,
stand bisher an dem nördlichen Pfeiler des Mittelschiffes, zwischen
diesem und der Thurmhalle, ist aber jetzt nach der südlichen Capelle
neben dem hohen Chor versetzt worden. Am Fuße enthält derselbe die
Inschrift:
Ano dni MCCCCXL ad honore dei et decore ecclie racebges rend (9)
pr. t. dns. Parda (9) eius ecclie epus XX; baptisteriu fieri voluit.
Das Taufbecken ist 1648 von den auf Heinrich Lers'
Kupfermühlen auf der Baek beschäftigten Meistern geschenkt worden. Die hölzerne Einfassung
der Taufe ist aus späterer Zeit und die Inschrift an dem Becken
enthält den Taufbefehl; das Gitter ist jetzt renovirt worden.
Das Andenken an den im Jahre 1066 gesteinigten Abt des Klosters zum
St. Georg, Ansverus, erhält sich durch eine große Bildtafel, die
jetzt ihren Platz an der Nordwand der nördlichen Kapelle neben dem
hohen Chor erhalten hat. Früher stand sie im nördlichen Seitenschiff,
Rücken an Rücken mit den dort auf dem unteren Chor befindlichen
Domherren-Stühlen. Sie ist beachtenswerth als Gedächtniß-Tafel des
früheren hochansehnlichen Localheiligen, stammt aber wohl kaum aus der
Zeit vor der Reformation, weil die im Jahre 1576 entstandene
Kanzel
der Domkirche auf dieser Tafel abgebildet ist.
Von Evermodus (1154) an haben 28 katholische
Bischöfe an der Domkirche
residirt, der letzte dieser Reihe war Georg von Blumenthal (†
1550);
sein Nachfolger, Christoph von der Schulenburg, trat zum
evangelisch-lutherischen Glauben über und resignirte 1554.
Aber von
diesen 28 Bischöfen ruhen nur 25 in der Domkirche, und von letzteren
fehlen jetzt bei VIII. Ludolfus; XV. Otto;
XVII. Henricus und bei
XXIII. Johannes (Preen) die Grabfteine.
Ob diese Gedenksteine überall da, wo sie vor der eben beendeten
Neuflurung der Kirche gelagert geweseu, die wirkliche Grab-
Rickmann, Domkirche, Seite 60
Rickmann, Domkirche, Seite 61
stätte des auf ihnen genannten Bischofs deckten,
ist, wenigstens bei mehreren, unwahrscheinlich. Um sie gegen das
durch Betreten verursachte Verlöschen der Inschriften und Bilder -
welche zu entziffern bei einigen Steinen schon recht schwer fällt,
sicher zu stellen, hat man, sowohl durch günstigere Lage als durch Aufrichten an den Wänden diese
Steine der weiteren Beschädigung
möglichst entzogen.
Die frühere Lage der Steine ist hier als unwesentlich nicht weiter
berücksichtigt, aber in "Masch, Geschichte des Bisthums Ratzeburg",
genau angegeben und mit leichter Mühe zu finden.
Acht der ältesten Bischöfe haben nur kleine quadratische Grabsteine
von etwa 70 cm. Seite erhalten, und diese liegen jetzt auf dem
hohen Chor, unmittelbar vor dem Altar. Sie alle euthalten in drei
Zeilen nur den Namen und die Ordnungszahl des Bischofs in starker
gothischer Miuuskel und sind wahrscheinlich sämmtlich von ein und
demselben Meister zu Anfang des 14. Jahrhunderts, oder, nach der
Schrift zu urtheilen, noch etwas später fertig gestellt worden.
Es sind folgende:
I. |
|
evermod epus primus |
II. |
|
isfridus epus secundus |
IV. |
|
henricus epus quartus |
V. |
|
lambert (9) quintus epus |
VI. |
|
gotschalk (9) sextus epus |
VI. |
|
petrus epus septimus |
IX. |
|
fredericus nonus epus |
XI. |
|
conrad (9) undecem epus |
Die übrigen noch vorhandenen bischöflichen Grabsteine sind größer;
durchgehends zeigen sie auf der Mittelfläche das Bild eines
Bischofs im Ornat, meistens unter reichem Gemäuer stehend mit einer
umlaufenden Inschrift, die oben rechts zu Häupten der Figur beginnt.
|
|
Der Stein von Conrads Vorgänger, |
X. |
|
Ulricus (v. Blücher) liegt auf dem
vorderen Chor und ist der südliche der dort befindlichen
drei Steine. Schon sehr vertreten zeigt er nur uoch
folgende Inschrift: |
Rickmann, Domkirche, Seite 61
Rickmann, Domkirche, Seite 62
|
|
ANNO DNI
MCCLXXXIIII, XVII, KL', FEBR-0' PR. CU', SEDISSET. ANIS.
XXIII. MSIB' VI. DIEB' VII. |
|
|
|
XII. |
|
Hermannus (v. Blücher.)
Sein großer, schon sehr vertretener Stein, mit
eigentümlicher Schrift, liegt neben der nördlichen
Treppe zum unteren Chor, galt längere Zeit für nicht
mehr vorhanden, und ist erst jetzt, nach Abbruch der
alten Aufgangstreppe zum unteren Chor wieder blos gelegt
worden. (Ein Beweis, daß die Erhöhung dieses Chores
nicht ursprünglich war, sondern erst später ausgeführt
wurde.) |
|
|
|
XIII. |
|
Marquardus (3) (v. Jesow)
Stein liegt am nördlichen Pfeiler der Thurmhalle und war
mit eingelegtem Messing verziert, das aber später
ausgebrochen und geraubt wurde; er enthält die
Umschrift:
Anno domini MCCCXXXV die
beati ambrosii obiit venerabilis pater et dns marquardus
hujus ecce ep tredecimus pontificatus sui anno XXVI
cujus aia p. misericordiam dei requiescat in pace.
|
|
|
|
XIV. |
|
Volradus (v. Dorne) hat
seinen aufrecht stehenden Stein in der Außenwand des
nördlichen Seitenschiffes neben der Thurmhalle, mit der
Umschrift:
Anno dni MCCCLV in die beati
severini obiit venerab. pater et dns Volradus hujus ecce
ep. qrtus decimus pontificatus sui anno vicesimo primo.
or. pro eo. |
|
|
|
XVI. |
|
Wipertus (v. Blücher). Sein Stein liegt im untern
Chor als der nördlichste der dort befindlichen, und hat:
Anno dni MCCCLXVII - - - va
nativitatis marie obiit venerabile pater t dns. - - -
blucher hujus ecclie episcopus cui (9) aia per
misericordiam dei requiescat in pace.
|
|
|
|
XVIII. |
|
Gerhardus (Holtorp). Sein
Grabstein, der mit jetzt verschwundenem Metall verziert
war und sehr vertreten ist, liegt im Fußboden, gleich
rechts von der südlichen Eingangspforte in die
Thurmhalle. |
Rickmann, Domkirche, Seite 62
Rickmann, Domkirche, Seite 63
XIX. |
|
Im Fußboden der Thurmhalle am
südlichen Hauptpfeiler liegt der Stein dieses Bischofs
mit der Inschrift:
Anno : dni : MCCCCXIX :
intra : octavas : epiphanias : o : venerabilis : pater :
t : dns : detlephus : de Parkenthin : epc : decim (9) :
nonus : hujus : ecce : pontificatus : sui : anno :
XXIIII : cujus : aia : requiescat : in : pace :
|
|
|
|
XX. |
|
Johannes (Trempe). Sein ziemlich
großer Stein findet
sich an der Außenwand des nördlichen Seitenschiffes (nahe
der Mitte desselben) aufgerichtet. Die Umschrift lautet:
Anno : dni : M : CCCC : XXXI
: in : die : evglste : luc : obiit : venerabilis : pater
: t: dns : jhes : de : Trempa : epus : raceburgensis :
XX : in romano :
[c]uria : confirmatus : et consecratus. |
|
|
|
XXI. |
|
Pardamus (v. d. Knesebeck). Sein
Denkstein steht in der Taufcapelle aufgerichtet an der
Wand zwischen ersterer und dem Hochaltar mit der
Umschrift:
Anno : dni : M : CCCC : XL :
sexto : die : mensis : octobris : o : venerabil : i :
xro : pater : dns : pardamus : d : Knesebecke : hs :
ecce : epc : XXI : i romana : curia : (9) secrat (9) :
et : (9) firmatu : c (9) :
aia : in : pace : reqescat : |
|
|
|
XXII. |
|
Johannes (Prohl). Sein Stein liegt in
der nördlichen Capelle neben dem Hochaltar und hat die
Umschrift:
Anno : dni : M : CCCC :
LIIII : decima septima : die : mensis : martii : obiit :
venerabilis : pater : et : dns : Johaes : prohl : huj
(9) : ecce : epc : XXII : cujus : aia : per :
misericordia : dei : requiescat : in : pace : amen : |
|
|
|
XXIII. |
|
Johannes (v. Preen). Sein Grabstein
war noch zu Anfang dieses Jahrhunderts vorhanden und
lag, mit Sand überdeckt, damals in der vorher als
Spritzenkammer benutzten Taufcapelle; er führte nach
schriftlicher Ueberliefcrung die Umschrift:
Anno : dni : M : CCCC : LXI
: in : die : dionisii : o : veabilis : pr : dn (9) :
Joh's : preen : h (9) : ecce : epc : XXIII : roe : (9)
firmat (9) : et : (9) secratus : c (9) : aia : req : i :
pace. |
Rickmann, Domkirche, Seite 63
Rickmann, Domkirche, Seite 64
XXIV. |
|
Ludolphus (v. Raceborch). Der Stein
dieses Bischofs ist an der Außenwand des südlichen
Seitenschiffes, östlich vom Lauenburgischen Chor
aufgerichtet und zeigt die wohlerhaltene Umschrift:
Anno : dni : M : CCCC : LXVI
: mensis : januarii die : II : o : R: pater : dns :
Ludolphus : ii dus : huius : ecclie : raceburg : epc :
XXIIII : cujus : aia : reqescat : in : pce. |
|
|
|
XXV. |
|
Johannes (Stalkoper). Der Stein steht
in der südlichen Außenwand neben dem Eingange zur
Wendeltreppe und hat die Umschrift:
Anno : dni : M : CCCC :
LXXIX : in : die : mesis januarii : o : felicis : meorie
: reverd (9) : i : xro : pr : et : dn (9) : J'hes :
Stalkoper : dei : gratia : h (9) : eccle : raceburgensis
: ep : XXV : artium : libalium : mgr : medicine : doct
(9) : or : p : eo : |
|
|
|
XXVI. |
|
Johannes (v. Parkentin). Unter dem
Epitaph des Peträus, im südlichen Querschiff liegt ein
Grabstein, der wahrscheinlich diesem Bischof gehörte.
Die Oberfläche des Steins war ehedem mit Metall
ausgelegt; der Vandalismus früherer Zeiten raubte das
Metall und zerstörte dadurch die Umschrift. |
Die Herzöge von Sachsen-Lauenbnrg
hatten in alter Zeit zwei Begräbnißcapellen in der Domkirche; auf der
Südseite lag die sogenannte Katharinencapelle der
Ratzeburg-Lauenburg. Linie, und auf der Nordseite die Capelle der
Mölln-Bergedorfer Linie. Aus letzterer hat sich nur der kleine
quadratische Gedenkstein des die Linie beschließenden Herzogs Erich
III. erhalten, und findet sich in der Außenwand genau an der Stelle
eingelassen, wo die nun eingegangene Capelle gestanden hat. Die
5zeilige Inschrift lautet:
Ano. dni. m.
CCCCI. cancu t. caci. o. Ericus. dux Saxoniae. senior.
i. bergetorpe. o.
|
(Im Jahre des Herrn
1401, am Tage Cancii und Canciani
(31. Mai) starb Erich, der Aeltere, Herzog v. Sachsen in
Bergedorf; betet für ihn! |
Ein anderer sich bemerkbar machender Grabstein ist der des Herzogs
Johann IV. von Sachsen-Lauenburg auf dem unteren
Rickmann, Domkirche, Seite 64
Rickmann, Domkirche, Seite 65
Chor. Er zeigt zwei Figuren, einen geharnischten
Mann und daneben eine Frau. Die Umschrift ist bereits so abgetreten,
daß man nur noch aus einigen Buchstaben den Namen Joh....
entziffern kann. Geschichtlich kann es aber kaum ein anderes Grab
sein, als dasjenige, welches Herzog Magnus, Sohn von Johann, 1507 bis
1519 seinen Aeltern errichtete, in Folge dessen der
untere Chor zur
Ausgleichung des darüber entstandenen Streites zwischen Herzog und Capitel so erhöhet wurde, wie er gegenwärtig
ist.
An reicher ausgestatteten Epithaphien fallen in die Augen: das
Herzoglich Lauenburgische links neben dem Altar, dem sogenannten Apostelschrank gegenüber, welches durch
2 Hauptfiguren aus Marmor,
einen geharnischten Mann und eine Frau, beibe in kniender Stellung
betend, und mehrere Nebenfiguren geschmückt ist; und dann das der
Familie von Bülow, der Ansverus-Bildertafel gegenüber, in der
nördlichen Seitencapelle befindliche. Beide sind gleichzeitig mit
dem Altaraufsatze entstanden und von demselben Meister, Gebhard
Georg Titge aus Rotenburg gefertigt.
Der große Kronleuchter in der Kreuzvierung stammt laut der daran
bcfindlichen Inschrift aus dem Jahre 1674 als testamentarische
Schenkung des Domdechanten Hartwig von Bülow; der kleinere in der
nördlichen Seitenkapelle ist in jüngster Zeit von der Familie
Welter, früher zu Römnitz, gestiftet worden. Die im Schiffe der
Kirche befindlichen beiden Kronleuchter wurden jetzt, nach
vollendeter Renovation der Kirche von Ihrer Königl. Hoheit der
Großherzogin-Mutter Marie, geb. Prinzessin von Hessen-Cassel geschenkt.
Außer den bereits genannten und mehr in die Augen fallenden
Gedenktafeln sind noch manche derselben zum Andenken an Männer, die
sich um die Domkirche verdient gemacht, aufgestellt. Darunter
befinden sich Mitglieder der Familien v. Bülow, v. Dalldorf
(ausgestorben), v. Stralendorf, v. Lepel, v. Parkentin (ausgestorben), v. Schack (von denen Ludolph 1598 ein Legat zur
Unterstützung Studirender stiftete), v. Dannenberg, v. Fabrice, v.
Laffert etc. - Ferner Heinrich Neumann, der mit vielem Geschick die
Verhältnisse nach der Säkularisation in die neuen meck-
Rickmann, Domkirche, Seite 65
Rickmann, Domkirche, Seite 66
lenburgischen Bahnen unter Adolph Friedrich
I. und
Christian Ludwig überleitete. HERZOG CHRISTIAN Ludwig, obgleich katholisch, gab trotzdem sein
Bild in die protestantische Kirche; es
hängt über der Thür zum ehemaligen Refectorium. Ein Brustbild von
ihm aus Marmor in Medallon
[sic!] ist dem nordwestlichen Eckpfeiler der
Kreuzvierung eingefügt und wird irrtümlich vielfach für das Bild
Heinrich des Löwen gehalten, da es an der rechten Schulter einen
Löwenkopf zeigt.
Auch vom Superintendenten Petraeus, der 44 Jahre lang in seiner
Amtsführung für das Wohl des Bisthums unermüdlich bestrebt war, ein
Legat zum Besten der Prediger, derer Wittwen und der Schullehrer stiftete, und 1641
starb, ist eine Gedenktafel vorhanden, jetzt
restaurirt und im südlichen Kreuzarm an der Ostwand aufgestellt.
Wie schon früher angedeutet, ist bei der Erhöhung des unteren Chores
der Raum neben dem Grabmal des Herzogs Johann von Sachsen-Lauenburg
und seiner Gemahlin zu Gruftgewölben ausgebaut worden. zu denselben führen
zwei Eingänge, einer von der Südseite, der andere von der
Westseite. Zwischen beiden liegt das zuerstgenannte Grab des
Herzogs Johann, und es scheint, als wenn von dem Gewölbe, mit dem
Eingänge von Süden, ein schmaler Eingang von letzterem zu ersterem
bestanden hat; jetzt ist derselbe aber vermauert; wann dies
geschehen, ist nicht anzugeben. In dem nach Osten gelegenen, sich
von Süden nach Norden unter dem Chor hinziehenden Grabgewölbe - mit
der Schrift über der Eingangsthür: V. G. G. A. H. Z. S. E. U. W.
renovatum. Ao. 1692. Renovatum Ao. 1762. V. G. G. SH. H. Z. S. E.
U. W. darunter das Wappen mit der Jahreszahl 1636, und
9 m lang und 2/7 m breit, - stehen
4 Särge mit fürstlichen Leichen. Von Norden
anfangend:
1. |
|
Catharina, Herzogin zu S. E. und
W., geb. Gräfin zu Oldenburg und
Delmenhorst, geb. 20. September 1582 † 29. Februar
1644. |
|
|
|
2. |
|
Johann Adolph, Herzog zu Sachsen,
geb. 22. Octbr.
1626 † 23.
April 1646. |
Rickmann, Domkirche, Seite 66
Rickmann, Domkirche, Seite 67
3. |
|
Augustus, reg. Herzog von Sachten,
geb. 17.
Febr. 1577 † 18. Januar 1656. |
|
|
|
4. |
|
Elisabeth Sophie, Herzogin zu
Sachsen etc., geborene Herzogin von Schleswig-Holstein, geb.
12. October 1599, † 25. November
1627. |
Außerdem steht an der nördlichen Mauerseite hinter den Särgen noch
ein hölzerner Kasten, worin 8 bis 10 Schädel und mehrere Gebeine von
ehemals hier beigesetzten Leichen zusammengelegt sind. Bei der
Anlegung dieser Gruftgewölbe mußte auch der Boden um circa 3 Fuß
vertieft werden, um eine genügende Höhe unter den Gewölbe-Kappen zu
gewinnen, und wahrscheinlich sind diese Gebeine, vielleicht von
längst verstorbenen Bischöfen herrührend, hierbei bloßgelegt
worden.
Von der Westseite her tritt man in ein ähnliches Grabgewölbe, 3,5 m
lang und breit, in welchem acht zinnerne Särge, fünf große und drei
kleine, aufgestellt sind. Von Norden anfangend, ist
1. |
|
ein großer gänzlich zerfallener Sarg
ohne Deckel, über welchem |
2. |
|
ein ebenfalls sehr verwitterter
steht, mit der Inschrift: V. G. G. S. G. Z. S. D. U. M.
H. Z. S. E. U. W. W. - Herzogin Sibilla, Gemahlin Franz
I., † 1592; |
3. |
|
ein großer sauber verzierter Sarg mit
schöner Inschrift: Philipp, Sohn Franz II,
geb. 17. August 1578, †
18. April 1605; |
4. |
|
ein Sarg mit Prinzeß Sophie
Margarethe, Tochter Herzog August's, geb. 6.
August 1622, † 6. März 1637; |
5. |
|
ein langer Sarg mit erhabenem Deckel
und Inschrift; Maria, Tochter Franz II.,
Canonissin zu Gandersheim, geb. 18.
Februar 1576, † 13. März
1625; |
6. |
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ein kleiner, 0,9 m langer Sarg, mit erhabenem Deckel und der
Inschrift: Franz August, Sohn Herzog August's, geb. 14. Juli
1623, † 19. April 1624; |
7. |
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ein desgleichen mit Philipp
Friedrich, des vorigen Bruder, geb. 11.
November 1627, † 16. November
1627. |
8. |
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in ganz kleiner zinnener Sarg von
0,75 m Länge, ohne Verzierung und Inschrift. |
Rickmann, Domkirche, Seite 67
Rickmann, Domkirche, Seite 68
Die schon erwähnte Lauenburgische Capelle auf der
Südseite der Kirche hat später eine Empore eingebaut erhalten, und
ist mit einer reich verzierten Brüstung im Renaissanzstil
[sic!] geschmückt worden. Sie enthält in der Mitte eine kleine Tafel mit I.
H. S., links 3 fürstliche Wappen und rechts
3 Tafeln mit folgenden Inschriften:
a. |
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E. SH. Mein Hoffnung zu
Gott allein! |
b. |
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AH. Dis ist der
Herzogin zu Sachsen uralter fürstlicher Standt, so den
4. Juni anno 1637 new
gebaut. |
c. |
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AC. Dura pati
virtus. Gottes Hand mein Beistant! |
|
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An den Füllungen stehen verschiedene
Namenszüge:
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ES. |
A. |
C. |
IA. |
AE. |
SH. |
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(Elisabeth
Sophie.) |
(August.) |
(Catharina
v. Oldenburg.) |
(Johann
Adolph.) |
(Anna
Elisabeth.) |
(Sibilla
Hedwig.) |
Im Innern dieser Empore ist ein Schild angebracht, der
das Wappen
des Herzogs Bernhard von Sachsen-Lauenburg enthält, und in
heraldischer Beziehung deshalb merkwürdig ist, weil das 2. Feld
dieses Wappens die Kurschwerter zeigt, deren Führung den Herzögen durch
kaiserlichen Befehl untersagt wurde. Die zu diesem Schilde
gehörige Gedächtnißtafel führt die Inschrift:
Na Xti bort mcccc Im lxIII Jar des Sonavet vor sut marien magdalene
starf de Irluclitige hochgeborne forste un her her bernd hertog to
sassen engern und westvale des hilge Romische Richs Ertzmarschal un
Korforst de got gnedic sy; un was des irluchtige hochgeborne forste
un hern her Johan hertogen to sassen vader.
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Rickmann, Domkirche, Seite 68
Rickmann, Domkirche, Seite 69
Einige Maaßangaben.
1. |
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Länge des Hauptschiffes,
ohne die Mauern |
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60,57 Meter. |
2. |
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Länge des Hauptschiffes,
mit den Mauern
zugleich ganze Länge der Kirche. |
|
64,44 Meter. |
3. |
|
Länge des Hauptschiffes
bis zum Querschiff |
|
37,17 Meter. |
4. |
|
Breite desselben |
|
8,28 Meter. |
5. |
|
Breite des Querschiffes |
|
8,28 Meter. |
6. |
|
Länge desselben, mit den
Mauern |
|
31,73 Meter. |
7. |
|
Breite der Seitenschiffe |
|
4,28 Meter. |
8. |
|
Ganze Breite der Kirche,
mit den Capellen, einschließlich der Mauern |
|
29,43 Meter. |
9. |
|
Breite der Kirche nach
Entfernung der Capellen |
|
22,57 Meter. |
10. |
|
Größte Höhe des
Haupt-Schiffes |
|
17,29 Meter. |
11. |
|
Größte Höhe der
Seitenschiffe |
|
8,28 Meter. |
12. |
|
Ganze Höhe der Kirche,
vom Fußboden bis zur Dachfirst |
|
26,- Meter. |
13. |
|
Höhe des Hauptschiffes
bis zu Anfang des Hauptgesimses |
|
15,16 Meter. |
14. |
|
Höhe des Cruzifixes
innerhalb der Kirche |
|
5,71 Meter. |
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Hier die
Vorlage der Transkription der Seiten 42-71, in Frakturschrift, auch zum Download:

Rickmann, Domkirche, unpaginiert

Abbildung:
Abschließende
Schmuckseite
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